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eine vorübergehende Krise durchmacht. Das sind Dinge, die die Aktionäre der neuen Generation immer weniger akzeptieren: Die Theorie der raschen Rentabilität der Investitionen hat verheerende Auswirkungen auf ihre Mentalität gehabt. «
Er hob unaufdringlich die Hand, als er sah, daß Jean-Yves etwas einwerfen wollte. »Aber seien Sie beruhigt«, fuhr er fort, »unsere Aktionäre sind bei weitem keine Dummköpfe. Sie wissen ganz genau, daß es im gegenwärtigen Kontext für eine Hotelkette wie Eldorador nicht möglich ist, bereits im ersten Jahr aus den roten Zahlen herauszukommen - und vermutlich nicht einmal in einem Zeitraum von zwei Jahren. Aber ab dem dritten Jahr dürften sie die Zahlen ernsthaft unter die Lupe nehmen und die Konsequenzen, die sie daraus ziehen, lassen nicht lange auf sich warten. Selbst wenn Sie ein verlockendes Projekt haben, das große Möglichkeiten in sich birgt, kann ich von diesem Augenblick an nichts mehr für Sie tun. «
Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Leguen rührte sich nicht und hatte den Kopf gesenkt. Espitalier strich sich leicht zweifelnd mit dem Finger über das Kinn. » Ich verstehe... «, sagte Jean-Yves schließlich. Nach einigen Sekunden fügte er ruhig hinzu : » Ich gebe Ihnen meine Antwort in drei Tagen. «
3
In den folgenden beiden Monaten sah ich Valérie sehr oft. Ich glaube sogar, daß ich sie mit Ausnahme eines Wochenendes, das sie bei ihren Eltern verbrachte, jeden Tag sah. Jean-Yves hatte beschlossen, das Angebot der Gruppe Aurore anzunehmen; Valérie beschloß, ihm zu folgen. Ich erinnere mich noch an die erste Bemerkung, die sie zu mir machte: »Von jetzt an muß ich 60% Steuern zahlen.« Ihr Gehalt erhöhte sich tatsächlich von vierzigtausend auf fünfundsiebzigtausend Franc im Monat; wenn man die Steuern abrechnete, war der Anstieg nicht ganz so spektakulär. Sie wußte, daß sie ab Anfang März, wenn sie bei der Gruppe Aurore anfing, sehr hart arbeiten mußte. Einstweilen lief bei Nouvelles Frontières alles normal weiter: Die beiden hatten ihre Kündigung eingereicht und arbeiteten ihre Nachfolger in Ruhe ein. Ich riet Valérie, ein Sparbuch anzulegen, einen Bausparvertrag abzuschließen oder was weiß ich; aber in Wirklichkeit waren wir mit den Gedanken meist woanders. Der Frühling ließ auf sich warten, aber das war völlig unwichtig. Als ich später an diese glückliche Zeit mit Valérie zurückdachte, an die ich seltsamerweise nur wenig Erinnerungen behalten sollte, sagte ich mir, daß der Mensch wirklich nicht für das Glück geschaffen ist. Um die konkrete Möglichkeit des Glücks realisieren zu können, müßte sich der Mensch vermutlich ändern phy sisch ändern. Womit läßt sich Gott vergleichen? Zunächst natürlich mit der Möse einer Frau ; aber vielleicht auch mit den Schwaden eines Dampfbads. Auf jeden Fall mit irgend etwas, bei dem der Geist zu einer konkreten Möglichkeit werden kann, weil der Körper mit Zufriedenheit und Lust gesättigt und jegliche Be
sorgnis verschwunden ist. Ich halte es jetzt für sicher, daß der Geist noch nicht geboren ist, daß er auf die Welt kommen möchte, daß es aber eine schwere Geburt sein wird und wir bisher nur eine unzureichende, schädliche Vorstellung von ihm haben. Wenn ich Valérie zum Orgasmus brachte und spürte, wie ihr Körper unter mir bebte, hatte ich manchmal den flüchtigen, aber unwiderstehlichen Eindruck, ein völlig anderes Bewußtseinsniveau zu erreichen, in dem alles Böse aus der Welt verbannt war. In diesen praktisch regungslosen Momenten der Schwebe, in denen ihr Körper der Lust entgegenstrebte, fühlte ich mich wie ein Gott, von dem die Heiterkeit und die Gewitter abhingen. Das war die erste, unbestreitbare, vollkommene Freude.
Die zweite Freude, die Valérie mir schenkte, war ihr außerordentlich sanfter Charakter und ihre natürliche Güte. Wenn ihre Arbeitstage sehr lang gewesen waren - und sie sollten im Laufe der Monate immer länger werden -, spürte ich manchmal, daß sie angespannt und mit den Nerven am Ende war. Doch nie ließ sie ihren Frust an mir aus, nie geriet sie in Wut, nie hatte sie eine jener unvorhersehbaren Nervenkrisen, die den Umgang mit Frauen häufig so bedrückend und erschütternd machen. » Ich bin nicht besonders ehrgeizig, Michel«, sagte sie manchmal zu mir. » Ich bin glücklich mit dir, ich glaube, du bist der Mann meines Lebens, und im Grunde möchte ich mich damit zufriedengeben. Aber das ist nicht möglich:
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