Platzkarte zur Hölle Kommissar Morry
schon alle gesichtet. In den meisten Fällen handelt es sich um Leute, die sich wichtig machen möchten. Es sind auch Ausnahmen darunter. Sie zum Beispiel. Ein paar Leute aus dem Haus, in dem er wohnte. Verkäuferinnen aus Geschäften, wo er kaufte . . . aber nicht ein einziger Bilderkäufer!"
„Das verstehe ich nicht."
„Aber ich. Ihr Bruder hat zwar gemalt, aber für ihn war die Malerei nur ein Zeitvertreib, ein Hobby ... er hat niemals damit Geld verdienen können."
„Wovon hat er denn gelebt?"
„Er hatte Geld, viel Geld. Zwanzigtausend davon fanden wir, wie Sie den Presseberichten entnommen haben dürften, in einem seiner Koffer. In kleinen Scheinen. Wir haben alle Nummern gewissenhaft geprüft ... es ist keine darunter, die gesucht wird."
„Das erleichtert mich sehr", sagte Patricia.
Pattersons Mundwinkel zuckten, ohne daß sich an seinem Gesichtsausdruck etwas änderte. „Mit wieviel Geld ist Ihr Bruder aus Minnesota gekommen?"
„Unsere Eltern hinterließen uns eine kleine Farm. Wir verkauften sie und teilten uns den Erlös. Charly und ich erhielten je zweitausend Dollar."
„Sonst besaß Ihr Bruder kein Vermögen?"’
„Nein."
„Hat er Ihnen jemals Geld geschenkt?"
„Warum hätte er das tun sollen? Ich war niemals stellungslos, und obwohl ich nicht viel verdiente, habe ich zu keiner Zeit Not gelitten."
„Wer waren seine Freunde?"
„Er hatte keine. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, daß er mit irgendwelchen Leuten freundschaftlich verkehrte."
„Wie oft sahen Sie sich?"
„In Zeitabständen von sechs bis zehn Monaten."
„Haben Sie ihn jemals in seiner Wohnung besucht?"
„Nein."
Patterson lächelte dünn. „Wußten Sie, daß er ein Mörder ist?"
Patricia zuckte zusammen, als habe sie unvermutet eine Ohrfeige bekommen. „Wie bitte?"
„Sehen Sie sich mal das an", sagte Patterson und reichte ihr einen getippten Zettel.
,Ich habe diesen Toten in meiner Wohnung gefunden1, stand darauf. ,Ich weiß nicht, wie er dorthin gekommen ist. Ich kenne den Mann nicht. Weil ich nicht wünsche, seinethalben in Schwierigkeiten zu geraten, werde ich ihn aus dem Haus bringen.1
Patricia schüttelte den Kopf. „Was hat das zu bedeuten?"
„Wir fanden den Zettel bei einem Toten namens Donaldson", sagte Patterson.
„Was hat das mit meinem Bruder zu tun?"
„Der Zettel ist auf einer Reiseschreibmaschine vom Typ ,Remington Portable1 geschrieben. Die Maschine konnte wir in der Wohnung Ihres Bruders sicherstellen."
„Wie merkwürdig!"
„Es ist inzwischen völlig zweifelsfrei geklärt, daß Ihr Bruder diesen Donaldson erschossen hat."
„Aber warum hätte er dann diesen Zettel schreiben sollen?" fragte Patricia mit weiten,erschreckten Augen. „Sie müssen sich täuschen! Charly ist kein Mörder..."
„Donaldson war ein kleiner, aber sehr übler Gangster", bemerkte Patterson. „Wir vermuten, daß Ihr Bruder in Notwehr handelte."
„Sie glauben, daß dieser Donaldson hinter Charlys Geld her war?"
„Es wäre ein plausibles Motiv. Damit stellt sich erneut die Frage, auf welche Weise Ihr Bruder in den Besitz der zwanzigtausend Dollar gelangte."
„Ich habe keine Ahnung . . . ich schwöre es Ihnen!"
Patterson zuckte die Schultern. „Vielleicht werden wir es nie erfahren."
„Aber Sie werden doch seinen Mörder finden?"
„Wir hoffen es."
„Sie haben keinen Anhaltspunkt?"
„Oh, wir wissen, wie der Täter vorgegangen ist ... er kletterte durch ein Fenster auf den Haussims und schoß dann durch das Wohnungsfenster . . . wir kennen auch das Kaliber seiner Pistole . . . und einige weitere, geringfügige Details . . . aber damit erschöpfen sich unsere Kenntnisse."
„Ich bedaure tief, Ihnen nicht weiterhelfen zu können."
Patterson lehnte sich zurück. „Sie werden uns schon noch helfen", meinte er leichthin.
„Wie darf ich das verstehen?" fragte sie irritiert.
Er lächelte. „Das werden Sie schon bald begreifen." Er stand auf. „Darf ich mich jetzt entschuldigen? Sie hören von mir. Im Moment habe ich ein paar sehr wichtige Aufgaben zu erledigen."
Patricia erhob sich zögernd. „Das war alles?"
„Nein, nein", sagte er. „Nur für den Augenblick."
„Was wird mit dem Geld geschehen?"
„Mit welchem Geld?" fragte Patterson naiv.
„Mit den zwanzigtausend Dollar."
„Da müssen Sie sich an den District Attorney wenden. Damit habe ich nichts zu tun."
Patricia wollte noch etwas sagen, aber Pattersons leicht unverschämtes Lächeln ließ sie schweigen. Sie murmelte einen
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