Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
den Wilden Wald und entkamen. Ein solcher Angriff darf nicht ungestraft bleiben, aber die Kreatur weigert sich, uns zu verraten, in welchem Gehölz sie beheimatet ist. Da du ja so unglaublich viel Zeit damit verbringst, dort zu jagen, hatte ich gehofft, du wüsstest vielleicht, wo man ihren Stamm finden kann.«
Ich musterte die Nymphe, die sich nun in meine Richtung schob und flehend eine Hand erhob. »Gnade«, flüsterte sie und umklammerte meine Stiefel. »Gnade, Herr, wir wollten doch nur unsere Schwester retten. Der Ritter … der Ritter hat … sich an ihr vergangen. Bitte … meine Freunde … meine Familie … die Königin wird sie alle töten.«
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte ich. Ich zweifelte nicht an ihren Worten; die Ritter waren kalte, brutale Männer, die sich einfach nahmen, was sie haben wollten, doch einen Diener des Winterhofes anzugreifen war ein Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wurde. Falls es ihr gelang, sie zu finden, würde Mab ihre gesamte Familie auslöschen, die nichts anderes getan hatte als die ihren zu schützen. Natürlich konnte ich nicht lügen, doch es gab andere Wege, die Wahrheit zu verdrehen.
»Prinz Ash.« Mabs Stimme war nun nicht mehr freundlich und zurückhaltend, ein warnender Unterton schwang in ihr mit. »Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich dir eine Frage gestellt«, fuhr sie fort, woraufhin die Nymphe sich verzweifelt an den Saum meines Mantels klammerte. »Kennst du den Aufenthaltsort dieser Kreaturen oder nicht?«
Was soll das denn, Ash? Ich ballte die Fäuste, versetzte der Nymphe einen Tritt und ignorierte ihren schrillen Schmerzensschrei. Gnade war etwas für Schwächlinge, und ich war der Sohn der Dunklen Königin. Ein Wesen von meinem Geblüt kannte keine Gnade. »Jawohl, Majestät«, antwortete ich. Die Nymphe brach weinend zusammen. »Ich bin diesem Stamm schon einmal begegnet. Ihre Kolonie befindet sich am Rand des Dornenwalds.«
Mab lächelte erfreut. »Hervorragend«, sagte sie mit rauer Stimme. »Dann wirst du heute Abend eine Einheit dorthin führen und sie vernichten. Tötet sie alle, holzt ihre Bäume ab und brennt den Hain nieder. Dort darf nichts stehenbleiben, nicht einmal ein Grashalm. Statuiert an ihnen ein Exempel für alle, die sich dem Winterhof widersetzen wollen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Während die klagenden Schreie der Nymphe immer lauter wurden, neigte ich ergeben den Kopf. »Wie du wünschst, meine Königin.« Ohne mich von ihr abzuwenden, trat ich zurück. »So wird es geschehen.«
Der Waldelf umklammerte seinen Stab und starrte mich angsterfüllt an. Der kleine Elfenstamm, der hier im Grenzgebiet zwischen dem Wilden Wald und Tir Na Nog hauste, bestand aus einfachen Jägern und Sammlern. Sie bekamen sicher nicht oft Besuch, erst recht nicht von Abgesandten des Dunklen Hofes. Und ganz sicher nicht von einem der Prinzen.
»Prinz Ash?« Er verbeugte sich steif, was ich mit einem knappen Nicken zur Kenntnis nahm. »Welch eine … Überraschung. Was verschafft uns die Ehre, Hoheit?«
»Ich bin hier im Auftrag von Königin Mab, bezüglich eines Kriegers mit dem Namen Weißdorn«, erklärte ich formell, woraufhin er die Augenbrauen hochzog. »Kommt dir der Name vielleicht bekannt vor?«
»Weißdorn?« Der alte Elf runzelte die Stirn. »Ach ja, Weißdorn ist zu einer Heldenreise aufgebrochen, er wollte der stärkste Elf des Wilden Waldes werden. Woher kennt Ihr ihn?«
Ich seufzte. »Weißdorn landete letztlich am Dunklen Hof«, fuhr ich fort. Die Falten auf der Stirn des Alten vertieften sich. »Er trat vor die Königin und flehte sie an, ihn in ihre Garde aufzunehmen und ihm die Ehre zuteilwerden zu lassen, in ihrem Hofstaat zu dienen. Als Mab dies ablehnte, verlangte er, im Duell beweisen zu dürfen, dass er der stärkste Krieger sei. Er schwor beim Leben seiner Familie und seines Stammes, dass er siegen würde, und verlangte, im Falle eines Sieges in Dienst genommen zu werden. Das amüsierte Mab und sie erlaubte ihm, gegen einen ihrer Krieger anzutreten.«
»Ich verstehe nicht …«
»Weißdorn wurde besiegt«, vervollständigte ich sanft meinen Bericht. Das Gesicht des Alten, das zunächst tiefbraun gewesen war, nahm die Farbe eines verdorbenen Pilzes an. Taumelnd fiel er auf die Knie und murmelte tonlos vor sich hin. Ich zog mein Schwert und ging ans Werk, während in den Hütten ringsum entsetzte Laute und Geschrei ertönten. »Das Leben seiner Familie und seines Stammes sind verwirkt, da er
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