Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Terror, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Sie kriechen aus dem Fluss und schaffen es bis in den Wald, wodurch der Wald sich verändert und zu einer verkrüppelten Landschaft wird, wie sie die Menschen am meisten fürchten. Wenn du also einem von ihnen begegnen willst, tu dir keinen Zwang an und lenke ihren Blick auf dich. Aber wundere dich nicht, wenn du den Verstand verlierst, nachdem du einen gesehen hast.«
    Puck schnaubte skeptisch. »Oh, bitte. Was meinst du denn, mit wem du es hier zu tun hast? Ich habe für eine ganze Reihe menschlicher Albträume gesorgt. Habe ich alles schon mal gesehen, Wolfsmännchen. Es gibt absolut nichts, was mich um den Verstand bring… Aaah!«
    Puck wich so hastig zurück, dass er über die eigenen Füße stolperte. Grimalkin fauchte und verschwand, während ich mein Schwert zog. Am Flussufer stand eine riesige Gestalt mit wirrem Haar, die eine Angelrute in den bleichen, langgliedrigen Händen hielt. Nun drehte sie sich zu uns um.
    Ich konnte das Wesen nur fassungslos anstarren. Es musste eine Fee sein, aber so etwas hatte ich noch nie gesehen. Das Ding hatte keinen Körper, sondern nur einen enormen, aufgeblähten Schädel, von dem das zottelige weiße Haar bis zu den Knien herabhing. Nein, nicht die Knie, sondern das Knie. Der Riese stand auf einem einzigen, stämmigen Bein, das in einem klumpigen Fuß endete; die schmutzigen gelben Zehennägel bohrten sich wie Krallen in den Boden. Dort wo eigentlich seine Ohren hätten sein müssen, wuchsen ihm zwei lange Arme. Mit großen, ungleichmäßig geformten Augen musterte er uns. In seinem Blick lag ein Hauch von Neugier.
    Ich machte mich bereit, ihn anzugreifen, falls er Anstalten machte, sich auf uns zu stürzen. Schaltete man das eine Bein aus, würde es ein Kinderspiel sein, den Riesen zu Fall zu bringen. Doch er blinzelte nur träge und wandte sich dann wieder dem Fluss und seiner Angelleine zu.
    Der Wolf hechelte und sah grinsend zu Puck, der wütend aufsprang und sich den Matsch von der Hose wischte. Ariellas Apathie war vergessen, als wir gemeinsam diese seltsame Gestalt musterten, die weiter fischte, als wäre nichts geschehen. »Was ist das?«, flüsterte Ariella und umklammerte meinen Arm. »Ein solches Wesen habe ich noch nie gesehen. Ist das ein Albtraum der Menschen?«
    »Es ist kein Albtraum«, widersprach der Wolf und setzte sich. »Es ist eine Fee, genau wie ihr, aber es hat keinen Namen. Oder zumindest kann sich niemand an ihn erinnern.«
    »Ich dachte bisher immer, sie wären ausgestorben.« Grimalkin erschien auf einem Stück Treibholz, doch sein Schwanz war immer noch doppelt so dick wie normalerweise. Er musterte den unbekümmerten Riesen und rümpfte die Nase. »Das hier ist vielleicht das letzte Exemplar.«
    »Tja, gefährdete Spezies hin oder her, vielleicht kann er uns ja helfen«, entschied Puck und schob sich vorsichtig auf den Giganten zu. »Hey, Einbein! Ja, du!«, rief er, als der massige Kopf des Wesens sich drehte, um ihn anzusehen. »Kannst du mich verstehen?«
    Perplex blickte der Wolf Puck hinterher, Ariella hingegen drückte sich enger an mich. Ich spürte ihre weichen Finger an meinem Arm. »Ich werde dich bestimmt nicht von seiner Fußsohle abkratzen, Goodfellow«, warnte ich ihn.
    »Lieb von dir, dass du dir Sorgen machst«, erwiderte Puck. Er ging ein paar Schritte zurück und legte den Kopf in den Nacken, damit er dem Riesen ins Gesicht sehen konnte. »Hallo«, begrüßte er ihn und winkte fröhlich. »Wir wollen nicht stören, aber könntest du uns vielleicht ein paar Fragen beantworten?« Als der Riese ihn nur stumm anstarrte, blinzelte er irritiert. »Äh … einmal Nicken für Ja, zweimal Nicken für Nein.«
    Das fremdartige Feenwesen geriet in Bewegung, und sofort spannte ich mich an; sollte es Puck zertrampeln wollen wie eine lästige Kakerlake, war ich bereit. Doch der Riese holte nur seine Angel ein und drehte sich dann um und blickte Puck offen ins Gesicht.
    »Was … willst … du?«, fragte er schleppend, als müsste er sich erst wieder ins Gedächtnis rufen, wie man spricht. Erstaunt zog Puck die Augenbrauen hoch.
    »Hey, du kannst ja am Ende sogar sprechen. Hervorragend.« Grinsend drehte er sich zu mir um, aber ich war weniger amüsiert. »Wir haben uns nur gefragt«, fuhr Puck dann an den Riesen gewandt fort und schenkte ihm sein charmantestes Lächeln, »wie weit es wohl noch ist bis zum Ende der Welt. Nur so aus Neugier. Weißt du das? Du siehst aus wie ein