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Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Titel: Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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noch wenige Meter weit sehen konnte und Fluss, Wald und Horizont von einer dicken weißen Wand verschluckt wurden.
    Der Wolf war nicht mehr zu sehen, tauchte aber plötzlich wie ein lautloser, tödlicher Schatten wieder auf. »Weiter vorne blinken Lichter«, knurrte er. Sein Fell war an Schultern und Nacken so stark gesträubt, dass es fast dornig aussah. »Sieht aus wie eine Stadt, aber das Seltsame ist: Sie hat keinen Geruch, nicht den kleinsten Hauch eines Geruchs. Es bewegen sich Dinge im Nebel und ich kann Stimmen hören, aber ich kann überhaupt nichts riechen. Es ist fast so, als wäre diese Stadt gar nicht da.«
    »Das ist das Problem mit Hunden«, seufzte Grimalkin und war im dichten Nebel kaum zu sehen. »Sie vertrauen immer nur auf das, was ihnen ihre Nase sagt. Vielleicht solltest du ja mal deine anderen Sinne zu Wort kommen lassen.«
    Der Wolf fletschte knurrend die Zähne. »Ich bin öfter an diesen Ufern entlanggestreift, als ich zählen kann. Hier gab es nie eine Stadt. Nur den Nebel. Warum sollte also plötzlich eine da sein?«
    »Vielleicht erscheint sie auch unvermittelt, so wie die Fähre«, schlug Grimalkin gelassen vor, während er in den Nebel hinausstarrte. »Vielleicht erscheint sie auch nur, wenn sie gebraucht wird. Oder vielleicht …« Er warf Ariella und mir einen schnellen Blick zu. »Vielleicht finden nur jene, die bereits gestorben sind oder bald sterben werden, den Weg nach Phaed.«
    Der Uferweg hatte sich in einen schlammigen Pfad verwandelt, dem wir so lange folgten, bis im Nebel dunkle Silhouetten auftauchten: die Umrisse von Häusern und Bäumen. Die Stadt Phaed tauchte vor uns auf, und der Pfad brachte uns mitten ins Zentrum des Ortes. Einige der Holzhütten, die auf Pfählen über dem Morast thronten, neigten sich gefährlich zu Seite, als wären sie betrunken. Grau verwitterte Schuppen hockten wie geduckte Tiere im Schlamm, einige waren wie Pappkartons aufeinandergestapelt und drohten herabzustürzen oder zusammenzubrechen, wenn man nur einmal dagegen trat. Alles war eingesunken, schäbig und brüchig oder aber so ausgebleicht, dass man unmöglich sagen konnte, welche Farbe es einmal gehabt haben mochte.
    Auf der Straße lag überall Schutt herum, lauter Kleinigkeiten, die anscheinend irgendjemand fallen gelassen und nie wieder aufgehoben hatte. Mitten auf dem Weg stießen wir auf eine Angelrute, an deren Leine ein skelettierter Fisch hing. Der Wolf zog angewidert die Lefzen hoch und machte einen weiten Bogen darum. In einem kleinen Tümpel vermoderte eine Staffelei mit einem halb fertigen Bild, dessen Farbe wie Blut in das Wasser tropfte. Und überall lagen Bücher herum – von Gutenachtgeschichten für Kinder bis hin zu uralten, mächtigen Wälzern.
    Hier war der Nebel noch dichter und dämpfte sogar die Geräusche. Nichts rührte sich, kaum ein Laut war zu hören.
    »Nettes Plätzchen«, murmelte Puck, als wir an einem alten Schaukelstuhl vorbeikamen, der sich quietschend im Wind bewegte. »So gemütlich. Ich frage mich, wo die alle sind.«
    »Sie kommen und gehen«, sagte der Schaukelstuhl hinter uns. Wir fuhren zusammen und wirbelten mit gezogenen Waffen herum. Wo gerade noch niemand gewesen war, saß nun ein seltsames Wesen mit blicklosen, weißen Augen und starrte uns an.
    Es war eine ebenso unkenntliche Kreatur wie zuvor der Riese. Ihr Körper war der einer alten Frau, doch die Hände waren gekrümmte Vogelklauen und ihre Beine endeten in Hufen. Zwischen den grauen Haaren ragten Federn hervor, die auch auf ihren dürren Armen wuchsen, und auf der Stirn entdeckte ich zwei winzige Hörner. Sie musterte mich mit vollkommen ausdrucksloser Miene, während plötzlich eine gespaltene Zunge zwischen ihren Lippen hervorschoss.
    »Oh«, sagte sie überrascht, als ich tief durchatmete und meine Waffe wegsteckte. »Neuankömmlinge. Neue Gesichter habe ich in dieser Stadt ja schon seit … also, eigentlich habe ich hier noch nie neue Gesichter gesehen.« Einen Moment lang sah sie uns durchdringend an, dann begann sie, zu strahlen. »Wenn ihr neu seid, habt ihr es ja vielleicht gesehen. Habt ihr es zufällig gesehen?«
    Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Es?«
    »Ja. Es .«
    In der Luft um sie herum konnte ich etwas Seltsames wahrnehmen, eine Art leichten Sog, so als würde Wasser durch einen Strohhalm gesogen werden. »Es … was denn?«, fragte ich vorsichtig. »Wonach suchst du?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie seufzte schwer und schien in sich zusammenzufallen. »Ich kann mich

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