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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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entschuldigte sich der Verkäufer, »ich bin aus Izmir, deswegen dachte ich nur. Als ich klein war, hatte ich genauso einen, einen Welpen. Aber er hat ins Haus gepinkelt, und da hat mein Vater die Krise gekriegt, und er hat ihn weggejagt, als ob er das absichtlich gegen ihn gemacht hätte. Aber Sie, Sie sind ein guter Mann. Schauen Sie, da ist er Ihnen ausgerissen, und Sie sind nicht mal böse auf ihn. Nicht wie diese Brutalotypen, die ihren Hund mit der Leine verdreschen, wenn er bloß stehenbleibt, um zuzuschauen, wie sich das Schawarma dreht.«
    »Er ist nicht ausgerissen«, korrigierte Ronald und lehnte seine müde Stirn an Schachiras kräftigen Rücken, »er ist verlorengegangen.«

    In dieser Nacht, im Bett, beschloss Ronald, ein Buch zu schreiben. Etwas zwischen einer lehrreichen Parabel und einem Denkerbuch. Die Geschichte würde von einem König handeln, allseits geliebt von seinen Untertanen, der etwas ihm sehr Teures verlor. Kein Geld, vielleicht irgendein Kind oder einen Bruder oder sogar einen Singvogel, falls das nicht früher schon mal benutzt worden war. Gegen Seite hundert würde das Buch weniger symbolisch und aktueller werden, sich mit der Entfremdung befassen, die der Mensch in der modernen Gesellschaft erfuhr, und auch etwas Trost bieten. Auf Seite hundertsechzig, hundertsiebzig würde es in eine Art kommerziellen Unterhaltungsroman vom Lesbarkeitsniveau her übergehen, aber um vieles qualitätsvoller. Und auf Seite dreihundert würde sich das Buch in ein berührungsfreundliches Pelztierchen verwandeln, das der Leser umarmen und streicheln konnte, um seine Einsamkeit zu bewältigen. Er war sich noch nicht schlüssig über die Technologie, mit deren Hilfe er das Buch in ein berührungsfreundliches Tier verwandeln würde, aber er vermerkte bei sich, bevor er einschlief, dass auf den Gebieten der Molekularbiologie und der Verlage in den letzten Jahren Riesenfortschritte gemacht worden waren und hier schlicht eine Zusammenarbeit zwischen ihnen erforderlich sein würde.
    In jener Nacht hatte Ronald einen Traum, und in seinem Traum saß er auf dem Balkon seiner Wohnung und studierte konzentriert eine Tageszeitung, in dem tapferen und aufrichtigen Versuch, das Rätsel der menschlichen Existenz zu lösen, als sein geliebter Hund Schachira völlig überraschend mit einem modischen grauen Anzug bekleidet und einem riesigen Knochen im Maul auf den Balkon stürzte. Schachira legte Ronald den Knochen vor die Füße und gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, die Antwort in den Wirtschaftsseiten zu suchen. Dann fügte er mit einer menschlichen Bassstimme, die ein bisschen an den Nachrichtensprecher Gilad Adin erinnerte, erklärend hinzu, dass die menschliche Rasse nichts anderes als ein Steuerasyl sei.
    »Ein Steuerasyl?«, fragte Ronald verwirrt, und Schachira nickte mit seinem klugen Kopf und erzählte rasch, wie sein Steuerberater, ein Außerirdischer, der auf dem Stern wohnte, von dem Schachira ursprünglich gekommen war, ihm geraten hatte, seine Profite in eine Initiative ökologischen Charakters zu investieren, denn bei der Einkommenssteuer der Außerirdischen würden sie da voll drauf abfahren. Und wie er ganz schnell über ein paar Strohfirmen auf dieses ganze Gebiet von Entwicklung neuen Lebens und neuer Rassen auf abgelegenen Planeten gekommen war.
    »Im Großen und Ganzen«, erläuterte Schachira, »ist allen klar, dass es in der Entwicklung der menschlichen Art sowie in der Entwicklung anderer Rassen nicht wirklich ein Upside gibt. Aber nachdem es sich um einen neuen Bereich handelt, der unter steuerlichem Aspekt noch total offen ist, besteht keinerlei Möglichkeit, mich daran zu hindern, für diese ganze Sache einen Berg von Rechnungen zu verbraten.«
    »Das glaube ich nicht«, verwahrte sich Ronald in seinem Traum, »ich weigere mich zu glauben, dass unsere ganze Aufgabe auf dieser Welt darin besteht, ein Steuerasyl zu sein, mit dessen Hilfe mein geliebter Hund Geld waschen kann.«
    »Zunächst einmal«, bemerkte Schachira, »kein Mensch redet hier von Geldwäsche. Alles, was ich verdiene, kommt schon von vornherein blütenweiß an, bei mir gibt es keine faulen Tricks. Es handelt sich hier um nicht mehr als ein halblegitimes Mittel zur Aufblähung der Ausgaben. Und zweitens, sagen wir mal, ich würde dir folgen und akzeptiere deine primäre Position, dass die wahre Aufgabe der Menschheit nicht ist, mir als Steuerasyl zu dienen. Wenn wir also dieses Gedankenspiel noch ein wenig weitertreiben,

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