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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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hatten. Es kostete ihn Jahre zu genesen. Seine Geliebte schaffte es nie mehr. Sie blieb eine Halbleiche. Sie konnte alles sehen und hören, aber sie konnte nichts sagen. Der silberne Gott beschloss, für sie eine Rasse nach seinem Ebenbild zu erschaffen, damit sie sie anschauen und sich so die Zeit vertreiben könnte. Diese Rasse glich ihm wirklich: Schläger und Opfer genau wie er. Und seine silberne Liebe betrachtete stundenlang mit weit aufgerissenen Augen die Angehörigen dieser Rasse, starrte und vergoss nicht einmal eine Träne.
    »Was denkst du denn?«, sagte der silberne Gott frustriert zu dem gelben Priester. »Was meinst du, dass ich euch so erschaffen habe, weil ich mir das ausgesucht habe? Weil ich irgend so ein Perverser oder Sadist oder Scheißkerl bin, der dieses ganze Leid genießt? Ich habe euch so erschaffen, weil ich nichts anderes weiß. Das ist das Beste, was ich kann.« Der gelbe Priester fiel auf die Knie und bat um Verzeihung. Wenn ein stärkerer Gott gekommen wäre, hätte er sicher weitergeflucht, auch wenn der Preis dafür die Hölle gewesen wäre. Aber der silberne und invalide Gott erweckte in ihm Reue und Kummer, und er wollte ernsthaft, dass er ihm verzieh. Der schwarze Mann ging nicht auf die Knie. Mit der gelähmten unteren Körperpartie war er nicht mehr imstande, solche Dinge anzustellen. Er saß nur in seinem Rollstuhl und stellte sich eine silberne Göttin irgendwo im Himmel vor, die ihn mit weit aufgerissenen Augen betrachtete. Das erfüllte ihn mit einem Gefühl von Bestimmung, sogar Hoffnung. Er konnte sich nicht erklären, weshalb, doch dieser Gedanke, dass er haargenau wie ein Gott litt, brachte ihn dazu, sich gesegnet zu fühlen.

Der blaue Fleck
    In der Notaufnahme sagten sie, dass der Knochen komplett gebrochen und der Muskel an zwei Stellen fast gerissen sei. Es gibt Leute, erzählte ihr der Arzt, die können aus einem Autozusammenstoß bei achtzig Stundenkilometern ohne einen Kratzer hervorgehen. Er erinnerte sich an ein Mal, wo eine dicke Frau in der Notaufnahme eintraf, die von ihrem Balkon im dritten Stock auf den Asphalt hinuntergefallen und mit einem blauen Fleck am Hintern davongekommen war. Alles eine Sache des Glücks. Von dem sie, wie es schien, nicht viel hatte. Ein leichter Fehltritt auf der Treppe, ein Knöchel, der sich in die falsche Richtung verdrehte – und schon landete sie mit einem Gips im Krankenhaus.
    Einer, der wie ein Araber aussah, wickelte ihr die feuchten Bandagen um den Fuß. Er sagte zu ihr, er sei erst Assistent und wenn sie wolle, könne sie darauf warten, dass der Arzt ihr das mache, was allerdings mindestens noch eine Stunde dauern würde, denn es sei viel los. Als er damit fertig war, sie einzugipsen, sagte er noch, dass das jetzt, weil Sommer sei, die ganze Zeit jucken und schwitzen würde. Er gab ihr keinerlei Ratschlag, was sie damit anfangen sollte, er teilte es nur mit. Nach ein paar Minuten fing es tatsächlich zu jucken an.

    Hätte sie keinen Gips gehabt, wäre sie nicht zu Hause gewesen, als er anrief. Hätte sie den Gips nicht gehabt, wäre sie in der Arbeit gewesen. David erzählte ihr, dass er in Tel Aviv war, dass er nur für eine Woche nach Israel gekommen sei, wo ihn sein Büro hingeschickt hatte, um an irgendeinem Kongress teilzunehmen. Etwas, das mit der Jewish Agency zusammenhing. Er sagte, er verkümmere dort bei den Vorträgen und wolle sie sehen, und sie sagte, in Ordnung. Hätte sie keinen Gips gehabt, hätte sie sich sicher unter irgendeinem Vorwand herausgeredet, doch ihr war langweilig. Wenn er kommen würde, dachte sie, würde es die Vorfreude geben. Sie würde sich vor dem Spiegel eine Bluse aussuchen, ihre Augenbrauen herrichten. Danach, wenn er gekommen wäre, würde wohl nichts passieren, aber sie hätte auf alle Fälle ihre Aufregung schon einkassiert. Sie hatte dabei auch nichts zu verlieren. Bei jemand anderem hätte sie Angst gehabt, er würde ihr vielleicht was verderben, aber von David war nichts mehr zu befürchten. Der Mann hatte ihr schon beim letzten Mal, als sie sich getroffen hatten, alles verdorben, hatte ihr das Hirn zugelötet, wie sehr er sie liebe, und nachdem sie sich ein bisschen aufgegeilt hatten und sie es ihm mit der Hand besorgt hatte, war er mit den Kleidern auf seinem Bett im Hotel eingeschlafen. Am nächsten Tag hatte er nicht angerufen und am übernächsten auch nicht. Und nach zwei Tagen wartete sie schon gar nicht mehr darauf. Sie wusste, dass er nach Cleveland oder Portland,

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