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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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hinterdrein, halten ihn ganz fest am Schwanz gepackt, damit wir nicht fallen.

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    Ein schwarzer Mann zog in die Straße von Weißen. Er hatte eine schwarze Wohnung mit einem schwarzen Balkon, auf dem er jeden Morgen saß und seinen schwarzen Kaffee trank. Bis eines schwarzen Nachts seine weißen Nachbarn bei ihm zu Hause eindrangen und ihm mörderische Prügel verpassten. Was heißt hier mörderisch? Sie zerdroschen ihn in Stücke. Er lag zusammengekrümmt wie ein Regenschirmhenkel in einer Pfütze schwarzen Bluts, und sie schlugen weiter zu. Bis einer von ihnen zu schreien anfing, man solle besser aufhören, denn wenn er ihnen plötzlich unter den Händen wegsterben würde, könnten sie sich eventuell noch im Gefängnis wiederfinden.
    Der schwarze Mann starb ihnen nicht plötzlich unter den Händen weg. Ein Krankenwagen kam und brachte ihn weit weit weg in ein verzaubertes Krankenhaus auf dem Gipfel eines erloschenen Vulkans. Das Krankenhaus war weiß. Das Tor war weiß, die Zimmerwände drinnen waren weiß und auch die Laken. Der schwarze Mann begann zu genesen. Zu genesen und sich zu verlieben. Sich in eine weiße Schwester in weißen Kleidern zu verlieben, die ihn auf die hingebungsvollste und großmütigste Art pflegte, die möglich ist. Auch sie liebte ihn. Und ihre Liebe erstarkte, genau wie er, mit jedem verstreichenden Tag, wurde stärker und lernte, vom Bett aufzustehen und zu kriechen. Wie ein Säugling. Wie ein kleines Kind. Wie ein schwarzer Mann, der eine Menge Schläge abgekriegt hatte.
    Sie heirateten in einer gelben Kirche. Ein gelber Priester verehelichte sie. Seine gelben Eltern waren mit einem gelben Schiff in dieses Land gekommen. Auch sie hatten Schläge von ihren weißen Nachbarn eingesteckt. Aber das alles eröffnete er dem schwarzen Mann nicht. Er kannte ihn kaum, und es schien auch nicht gerade die passendste Zeit, um damit anzufangen, mit der Hochzeit und dem Ganzen. Der gelbe Priester plante, ihnen zu sagen, dass Gott sie liebte und ihnen nur Gutes wünschte. Er wusste diese Dinge nicht mit Gewissheit, obwohl er sich viele Male selbst davon zu überzeugen versucht hatte. Dass er wüsste, dass Gott alle liebt und uns allen nur Gutes wünscht. Aber an jenem Tag, als er diesen zerschmetterten schwarzen Mann verheiratete, noch keine dreißig und schon vernarbt und im Rollstuhl, fiel es ihm schwerer zu glauben. »Gott liebt euch«, sagte er am Schluss, nichtsdestotrotz. »Gott liebt euch und wünscht euch nur Gutes«, sagte er und schämte sich.
    Der schwarze Mann und die weiße Frau lebten glücklich zusammen. Bis eines Tages, als die Frau aus dem Lebensmittelladen zurückkehrte, ein brauner Mann mit einem braunen Messer im Treppenhaus auf sie wartete, der alles wollte, was sie hatte. Als der schwarze Mann nach Hause kam, fand er sie tot vor. Er begriff nicht, warum der braune Mann sie erstochen hatte, er hätte einfach ihr Geld nehmen und fliehen können. Das Begräbnis fand in der gelben Kirche des gelben Priesters statt, und als der schwarze Mann ihn sah, packte er ihn an seinem gelben Gewand und sagte: »Aber du hast es gesagt. Du hast gesagt, dass Gott uns liebt. Wenn er uns liebt, warum tut er uns das alles an?« Der gelbe Priester hatte eine Antwort parat. Eine Antwort, die man ihn schon in der Priesterschule gelehrt hatte. So etwas wie dass die Wege des Herrn unergründlich seien und dass jetzt, da die Frau tot sei, sie ihm sicher näher sei. Aber statt diese Antwort zu benutzen, begann er schlicht und ergreifend zu fluchen. Der Priester verfluchte Gott mit grässlichen Flüchen. Derart beleidigende und verletzende Flüche waren auf der Welt noch nie vernommen worden. So beleidigende und verletzende Flüche, dass sogar Gott beleidigt war.
    Gott kam über die Behindertenrampe in die gelbe Kirche. Auch er saß im Rollstuhl, auch er hatte einmal eine Jemandin verloren. Er war silbern, nicht das Billigglanzsilber wie von einem BMW der Neureichprolls, sondern zart mattsilbern. Einmal, als er mit seiner silbernen Geliebten so zwischen den Silbersternen dahingeschwebt war, war eine Bande von gelben Göttern über sie hergefallen. Als sie noch Kinder waren, hatte Gott einmal einen von ihnen verprügelt, einen kleingewachsenen, mageren gelben Gott, und jetzt war dieser Gott herangewachsen und kehrte mit seinen Gefährten zurück. Die gelben Götter schlugen ihn mit gelben Sonnenkeulen und hörten nicht auf, bis sie jeden einzelnen Knochen in seinem göttlichen Leib gebrochen

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