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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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sofort und dringendst brauchst?«, sagt er. »Ein äthiopisches Sandwich auf der Matalon sechsundfünfzig.«
    »Wir haben doch gerade gegessen«, protestiere ich.
    »Sandwich ist kein Essen«, sagt Uzi und hantiert am Lenkradschloss rum, »Sandwich ist eine Äthiopierin unter dir, die dir die Brüste in den Rücken quetscht, und noch eine über dir. Du musst wissen, ich war auch nicht restlos begeistert, als sie mir das zum ersten Mal vorgeschlagen haben, aber das ist echt was.«
    »Was ist diese Matalon sechsundfünfzig?«, frage ich. »Ist das ein Puff?«
    »Komm, nicht das Thema wechseln«, Uzi dreht den Schlüssel im Anlasser, »wir reden jetzt von dir. Seit du und Ofra euch getrennt habt, hast du kein einziges Mal gevögelt, ha?« Ich nicke und füge hinzu:
    »Um ehrlich zu sein, mir ist auch nicht wirklich danach.«
    »Du meine Fresse«, Uzi löst die Handbremse, »man macht nicht immer, wonach einem ist.«
    »Wenn du damit zu sagen versuchst, dass ich weine, weil ich nicht vögle, dann täuschst du dich«, widerspreche ich.
    »Das sag ich nicht, sag ich gar nicht«, Uzi trommelt mit den Fingern aufs Lenkrad. »Ich sage, dass du weinst, weil dein Leben leer ist. Weil überhaupt keine Bedeutung oder Inhalt drin ist. Und wenn es drinnen leer ist …«, er fasst sich an die Brust, eine Spur rechts vom Herzen, »also wenn es irgendeine Bedeutung in der Umgebung gibt, installiert man eine Bedeutung, und falls nicht, dann schiebt man einen Ersatz rein. Eben so, einstweilen, bis die Bedeutung aus den Büros des Importeurs daherkommt. Und in solchen Fällen ist ein äthiopisches Sandwich ein super Ersatz.«
    »Bring mich heim«, sage ich, »mein Leben ist erbärmlich genug, auch ohne zu Nutten zu gehen.« Aber Uzi kümmert sich schon nicht mehr um mich, denn jetzt klingelt sein Mobilteil wieder, mit einem langweiligen, unvertrauten Rington drei, den Uzi für eingehende Gespräche programmiert hat. Am anderen Ende ist jemand von der Bank dran. Uzi heult ihm was vom Kukuriku vor und bittet ihn, ihm mit zwanzigtausend Dollar QQQQ zu kaufen, wenn er wieder gefallen ist.
    »Zwanzigtausend für mich und noch zehntausend für einen Freund.« Ich bedeute ihm »nein« mit dem Kopf, doch Uzi ignoriert es, und als er das Gespräch trennt, sagt er zu mir: »Da hilft gar nichts, Dadi, ich und du werden den Kukuriku beim Schwanz packen.«

    Durch die dünne Wand kann ich Uzis Mobilteil hören, das ihm vorsingt »Du bist eine Kanone«, und eine weibliche Stimme, die vor Lachen platzt. Es waren heute keine Äthiopierinnen da in der Matalon sechsundfünfzig, also ist Uzi mit einer Donnerbusigen aufs Zimmer gegangen, die auf Englisch sagte, sie sei Tschechin, und ich mit einer gefärbten Blondine, anscheinend eine Russin. Nebenan hinter der Wand lacht jetzt auch Uzi schallend – offenbar ist eine tschechische Stulle kein übler Ersatz. Die Blondine heißt Maria, und sie fragt, ob ich möchte, dass sie mir beim Ausziehen hilft. Ich erkläre ihr, das brauche sie nicht, ich sei bloß wegen meinem verrückten Freund hergekommen und von mir aus könnten wir hier zusammen dasitzen, bis Uzi fertig ist, und erst dann rausgehen, ohne Vögeln.
    »Kein Vögeln«, Maria versucht zu verstehen. »Blasen?« Jenseits der Wand spielt Uzis Teil wieder die Kanone. Irgendwas Gutes passiert da. Maria macht mir die Hosenknöpfe auf, und ich sage mir, wenn ich jetzt zu ihr sage, dass ich nicht will, wäre das beleidigend für sie. Ich weiß, dass das nicht stimmt, aber ich gebe mir alle Mühe, es zu glauben. Vielleicht hat Uzi ja recht und alles, was ich jetzt brauche, ist ein Ersatz. Während sie es mir macht, versuche ich, ein Leben für sie zu erfinden, so ein fröhliches, das sie aus freier Wahl zur Prostitution gebracht hat. Ich habe einmal einen solchen Film über eine gutherzige und glückliche französische Prostituierte gesehen. Vielleicht ist auch Maria so eine, nur eben Russin. Als ich nach unten schaue, kann ich fast nichts von ihr sehen außer den Haaren. Hin und wieder hebt sie ihren Kopf und fragt: »Gut so?« Und ich nicke verlegen. Gleich wird es vorbei sein.

    In der halben Stunde, die wir in der Matalon sechsundfünfzig verbringen, ist der Kukuriku durch die Decke gesaust. Bis wir wieder in die dörrende Sonne auf der Straße hinaustreten, steht der Kukuriku schon bei 1.75, was uns, laut Uzi, hundertzwanzig Prozent auf das Geld bringen sollte. Und so fährt der Kukuriku fort, wie ein Drache den blauen Himmel zu spalten und wir

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