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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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oder wie immer seine Stadt in Amerika auch heißen mochte, zurückgekehrt war. Und das war verletzend. Verletzend wie wenn dich jemand auf der Straße sieht und so tut, als ob er dich nicht kennt. Wenn sie ihn auf der Straße in Cleveland oder Portland oder wo auch immer getroffen hätte, und er wäre da mit seiner Freundin unterwegs gewesen, wäre das garantiert auch wirklich passiert.
    Er hatte ihr damals von seiner Freundin erzählt. Ihr gesagt, dass sie heiraten würden. Sie konnte nicht behaupten, dass er ihr das verheimlicht hätte. Aber etwas daran, wie er es sagte, verleitete sie zu dem Gefühl, dass alles, was er ihr erzählte, bis zu dem Augenblick gestimmt hatte, als er sie traf, und dass sein Leben jetzt eine vollkommen neue Richtung einschlagen würde, eine Richtung, in der auch sie miteinbegriffen war. Aber offenbar hatte sie sich getäuscht, oder er hatte sie getäuscht. Hängt davon ab, wie man es betrachtet. Hing davon ab, in welcher Stimmung sie sich befand, wenn das Bild von ihnen beiden zusammen im Hotel in ihrem Kopf aufstieg. Manchmal sagte sie sich, hör schon auf damit, du hirnkrankes Stück. Er ist Amerikaner, was hast du erwartet? Dass er sein Leben dort hinschmeißt, den Job in diesem Gemeindezentrum, den er dir zu erklären versucht hat, und hierherkommt, um wegen dir als Barmann oder Mopedkurier zu arbeiten? Doch es gab andere Male, da war sie wütend. Er hätte dieses Wort, »lieben«, nicht verwenden müssen. Er hätte einfach zu ihr sagen können, dass er auf sie stand oder dass er geil, betrunken und weit weg von Zuhause war. Aller Voraussicht nach hätte sie ihm auch dann einen runtergeholt, allerdings ohne nachher zwei Tage daheim zu sitzen und auf einen Anruf zu warten. Sie hatte damals kein Mobiltelefon, also saß sie einfach da und wartete. Auch damals war Sommer gewesen, und in ihrer Wohnung gab es keine Klimaanlage. Die Luft im Zimmer stand unbewegt, und den ganzen Tag hatte sie versucht, ein Buch zu lesen, »Unterwelt« von Don DeLillo, doch am Ende des Tages war sie immer noch beim ersten Kapitel. Sie erinnerte sich jetzt an nichts mehr von diesem Kapitel. Irgendwas mit einem Baseballspiel. Sie hatte das Buch danach nicht weitergelesen, und David hatte nicht angerufen. Aber jetzt, fast ein Jahr danach, auf einmal, und als er vorgeschlagen hatte vorbeizukommen, hatte sie ›in Ordnung‹ zu ihm gesagt. Hauptsächlich deswegen, damit er nicht merkte, dass es in ihr eine Stelle gab, die gekränkt war. Damit er nicht das Gefühl hätte, so wichtig zu sein, dass sie ihn nicht sehen wollte.

    Er brachte eine Flasche Wein und eine Pizza mit. Halb Olive, halb Sardelle. Fragte nicht mal vorher am Telefon, was sie mochte oder ob sie überhaupt hungrig war. Die Pizza schmeckte aber sogar ganz gut. Der Wein war weiß und zu warm, doch sie hatten nicht die Geduld zu warten, bis er gekühlt war, also tranken sie ihn mit Eiswürfeln. Eine Hundertdollarflasche, lachte er, und wir trinken ihn, als ob es irgendeine Diätcola ist. Anscheinend war es ihm wichtig, sie wissen zu lassen, dass er einiges für den Wein ausgegeben hatte. Seit jener Nacht, sagte er, laufe ich mit einem unguten Gefühl herum. Fühle mich scheiße. Ich hätte dich am Morgen danach anrufen und es dir erklären müssen. Noch mehr, ich hätte dafür sorgen müssen, dass es überhaupt nicht erst passiert. Es tut mir leid. Und sie streichelte ihm die Wange, nicht auf verführerische Art, sondern mehr wie eine Mutter, die ihren Sohn tröstet, der gerade gestanden hat, dass er in der Prüfung abgeschrieben hat, und sagte zu ihm, es sei nicht so schlimm. Dass sie an ihn gedacht habe seit damals, ja, schon. Sich gefragt habe, weshalb er nicht angerufen habe. Aber er müsse sich auf alle Fälle nicht schlecht fühlen. Er habe ihr ja von Anfang an gesagt, dass er eine Freundin habe.
    David sagte, dass sie inzwischen schon geheiratet hätten. Als er aus Israel zurückkehrte, hatte ihm Karen, so hieß sie, gesagt, dass sie schwanger sei und sie sich entscheiden müssten, abtreiben oder zusammenbleiben. Als Karen mit ihm darüber redete – das war sofort, als er aus dem Flugzeug ausgestiegen war –, hatte er noch ihren Geruch im Haar. Seit der Nacht, in der sie zusammen im Bett gewesen waren, hatte er sich nicht geduscht, damit der Geruch blieb. Wir müssen uns entscheiden, Abtreibung oder zusammenbleiben, sagte Karen zu ihm. Er wollte nicht bleiben. Wegen ihr, wegen jenem Abend. Aber er wollte auch nicht, dass Karen abtrieb. Es

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