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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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falle ihm schwer, das zu erklären. Er war schließlich nicht religiös oder so was. Aber der Gedanke an eine Abtreibung hörte sich für ihn wie etwas Unwiderrufliches an, und das setzte ihn unter Druck. Also schlug er ihr vor, zu heiraten.
    Auch ein Kind, das geboren wird, ist unwiderruflich, sagte sie jetzt in einem Ton zu ihm, als sei es ein Scherz, und er krümmte sich, erwiderte, das wisse er. Und fügte im gleichen Atemzug hinzu, es sei ein Mädchen, und es sei das Wunderbarste in seinem ganzen Leben. Auch wenn er und Karen sich scheiden lassen würden, sagte er, wobei er nicht glaube, dass das passieren würde, denn im Großen und Ganzen wäre bei ihnen alles in Ordnung, aber auch falls es doch passieren sollte, sei er froh, dass Karen nicht abgetrieben habe. Dieses Mädchen sei einfach so was von süß. Am Freitag wäre sie genau fünf Monate alt, und seit sie geboren worden war, sei das das erste Mal, dass er verreise. Auch zu diesem Kongress wäre er fast nicht gefahren. Hatte ungefähr fünfmal seine Meinung geändert, aber am Ende sei er geflogen. Hauptsächlich, um sie zu treffen. Um sie um Verzeihung zu bitten.
    Ich bin hergekommen, um dich um Verzeihung zu bitten, sagte er wieder. Sie wollte ihm sagen, dass er übertrieb. Dass er einfach eine Riesengeschichte daraus machte. Doch nach einem weiteren langen Schweigen sagte sie, sie verzeihe ihm. Sie sei nie in einer Situation wie seiner gewesen, aber sie verstehe ihn völlig. Und dass sie es nur ein bisschen bedauere, dass er damals nicht angerufen hatte. Bloß so, um sich vor dem Flug zu verabschieden.
    Wenn ich angerufen hätte, sagte er, wäre ich noch mal gekommen. Und wenn ich noch mal gekommen wäre, hätte ich mich in dich verliebt. Ich hatte Angst. Hätte sie ihn jetzt in Verlegenheit bringen wollen, hätte sie ihn daran erinnern können, dass er schon damals, in der ersten Nacht, behauptet hatte, dass er sich in sie verliebt habe, doch stattdessen streichelte sie nur seine große Hand, die auf dem Tisch lag. Danach saßen sie zusammen im Wohnzimmer, sahen sich eine Folge von »Lost« an und tranken den restlichen Wein aus. Vor drei Jahren, als sie von Giora schwanger geworden war, hatte sie ihn nicht einmal gefragt, ob er eine Abtreibung oder es behalten wollte. Sie ging einfach hin und machte den Abbruch allein, ohne es ihm zu erzählen. Zwei Monate danach trennten sie sich. Offenbar liebte dieser David Karen ein bisschen mehr, als sie Giora geliebt hatte. Oder er hasste sie zumindest weniger. Sie wusste, dass diese Nacht enden konnte, wo immer sie es wollte. Das gab ihr ein Gefühl von Macht. Wenn sie es etwas hinauszog, bis es spät war, und sagen würde, sie sei müde, würde er gehen, ohne irgendwas zu versuchen. Wenn sie ihn anschauen und lächeln würde – würde er sie küssen. Sie spürte es. Aber was wollte sie ganz wirklich? Dass er geil in sein Hotel zurückkehren, onanieren und an sie denken würde, daran, dass eigentlich alles in Ordnung war, oder dass er die Nacht mit ihr im Bett verbrachte und sich morgen beschissen fühlen würde? Ihr Wille wechselte ungefähr minütlich. Lass ihn, sagte sie sich, vergiss ihn und wie er sich fühlt. Denk an dich selber. Was willst du?

    Jetzt, wegen dem Gips, war es ein ziemlicher Akt, aufs Klo zu gehen. Sie hätte auf einem Bein hüpfen und dabei das Gleichgewicht bewahren müssen. David ließ sie nicht. Er nahm sie auf seine Arme, als sei er irgend so ein Feuerwehrmann, der sie aus einem brennenden Haus rettete, oder ein Bräutigam, der sie in ihrer Hochzeitsnacht über die Schwelle trug. Während sie Pipi machte, wartete er vor der Tür auf sie, und anschließend trug er sie wieder ins Wohnzimmer. Bis sie zurückkamen, war die Folge zu Ende. David erzählte ihr, was am Schluss passierte, er hatte sie schon gesehen, in Amerika war sie eine Woche früher gelaufen. Er hatte es ihr vorher nicht gesagt, dass er sie schon gesehen hatte, weil es ihm nichts ausmachte, sie noch mal mit ihr anzuschauen. Er war ohnehin nicht sonderlich wild auf Fernsehen. Auch beim ersten Mal hatte er es nur gesehen, weil Karen süchtig nach der Serie war. Es ist heiß bei dir in der Wohnung, sagte er, mörderisch heiß. Sie sagte zu ihm, dass sie das wisse. Dass der Wohnungsbesitzer ihr und ihrer Mitbewohnerin sechzig Dollar im Monat dafür nachließ, weil es keine Klimaanlage gab. Seit sie sich den Fuß gebrochen habe, sitze sie hier fest, sagte sie. Im Krankenhaus hatten sie ihr Krücken gegeben, aber wer hat

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