Plötzlich Royal
der Mütze unter den Arm geklemmt, noch einmal zu mir um. Von der anderen Seite her blickte die Queen von der Wand. Ich fühlte mich in die Zange genommen.
„Ja, etwas noch. Ich ging gerade mit meiner Barke längsseits zur HMS Buckingham und da traute ich meinen Augen nicht: Ich glaubte, eine rothaarige Meerjungfrau zu sehen, dünn und anmutig in ihren Bewegungen. Meinen Sinnen kaum trauend, habe ich mit dem Wesen konversiert. Es hat eine leicht fatalistische Lebenseinstellung, einen Wortschatz, der etwas gewagt ist für den Park des Palasts, aber es ist hoch intelligent. Da liegen unerforschte Gewässer vor euch mit allerlei seltsamen Geschöpfen darin, meine Freunde. Lotse geht von Bord, Captain“, meldete er, salutierte und setzte sich die Mütze auf.
Ich verzichtete darauf, den Gruß abzunehmen, das Ganze war ja sowieso ironisch gemeint, und schloss die Tür hinter ihm.
„Seine Schadenfreude hilft nicht weiter. Es geht hier nicht um die schwule Weltrevolution, sondern um Menschenrechte. In einem hat der Earl jedoch recht. Wir halten Kurs“, meinte ich und setzte mich wieder, damit alle anderen auch Platz nehmen konnten. Noch hatte ich mich nicht an solche Reverenzerweisungen gewöhnt.
„Kurs worauf? Auf die Zerschlagung des Commonwealth?“, fragte Earl Binnester.
„Wir hätten von Anfang an zur Etikette stehen sollen, dass ich für Sascha wie Prince Philip für die Queen bin“, meinte Simon. „Dann wären die paar Homophoben gar nicht erst gekommen und kaum einer hätte sie vermisst.“
„Britannien war schon in der Vergangenheit nicht bereit, jeden moralischen Preis für den Zusammenhalt des Commonwealth zu zahlen“, versuchte ich auf eine weniger persönliche Ebene zu wechseln. „Denken Sie an den Ausschluss Südafrikas während der Apartheid. Also, meine Herren, der Palast ist nicht mehr bereit, solche protokollarischen Kompromisse wie gestern Abend einzugehen. Das ist der Wunsch Ihres Königs. Noch Fragen?“
Ich blickte streng in die Runde. Vielleicht sollte ich mich hier mehr als Leutnant Burger präsentieren und weniger als ein unsicherer Erstsemestler.
„Die Meerjungfrau, was …“
„Nein, Earl Binnester, wir sind hier im Palast und nicht auf dem Schulhof. Sein Name ist Timm“, fuhr ich dem Earl mit ärgerlichem Tonfall über den Mund.
„Entschuldigung, Sire, ist jetzt auch nicht so dringend. Keine Fragen.“
„Danke, meine Herren. Gehen wir an die Arbeit“, schloss ich die Sitzung und stand auf.
Daraufhin erhoben sich auch die drei Gentlemen vom Konferenztisch und Simon wechselte auf seinen Arbeitsplatz.
„Einen Augenblick, Sire“, meldete sich der Colonel, als er auf dem Weg zur Tür an mir vorbeigehen musste. „Ist es wahr, dass Simbabwe unseren König George auf dem Gewissen hat?“
„Die Regierung von Simbabwe scheint in das Attentat verstrickt zu sein, so hat es mir gestern der Premier mitgeteilt“, gab ich ihm halb flüsternd zur Antwort, während der Earl mit einer Verbeugung aus dem Nacken gemeinsam mit Grant mein Büro verließ. „Das behalten Sie bitte für sich, auch vor Ihren Mitarbeitern. Meine Regierung wird sicher hart reagieren, aber nicht übereilt.“
Der Colonel starrte mich erschüttert an, traute sich aber wegen der Geheimhaltung nicht, nachzufragen, und ging als Letzter, nachdenklich am Schnurrbart zupfend raus.
Als Simon und ich endlich allein im Büro waren, verzichtete ich auf die übliche Internet-Presseschau und begnügte mich mit dem Pianistenvergleich des Earls als Pressespiegel.
Ich begann mich zu fragen, was denn eigentlich ein König zu tun hätte, wenn er gerade keine Hände schüttelte oder die Presse nicht mit einem Skandal unterhielt.
Etwas Arbeit musste auch sein, also ließ ich mir vom Butler Literatur über die Adelshäuser bringen. Früher oder später würde ich denen ja begegnen.
Die viktorianische Post-Nanny, unsere Lady in Waiting, wie ihr offizieller Titel lautete, hatte einmal mehr alle Mails einfach mir zugeschickt, also begann ich, sie abzuarbeiten. Die wichtigste Mail stammte vom Außenministerium und war eigentlich allgemein an mein Büro gerichtet. Die Nachricht enthielt eine sehr üble Erklärung der homophoben Commonwealth-Staaten und ihrer Verbündeten.
Mit Sorge verfolgen die Unterzeichnerstaaten das Eintreten für die Rechte sogenannter „homosexueller Personen“ des neuen britischen Königs Alexander IV.
Die Unterzeichnenden möchten zu diesen „Rechten“ folgende Gegenerklärung abgeben:
1. Rechte
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