Plötzlich Royal
Problem hat, weiß ja, wo die Tür ist“, meinte Binnester für mich überraschend modern.
Der Colonel traute sich nicht, dem obersten Haushofmeister zu widersprechen, und eilte schnell voraus, während ich mit Simon langsam in Richtung des großen Saales schritt. Das Königspaar betrat immer als Letztes den Saal. Als wir durch die Tür schritt, fühlte ich mich plötzlich sehr unangenehm beobachtet. Zudem machten mir Cramers Enthüllungen sehr zu schaffen.
„Hoheiten, Exzellenzen, Ladies and Gentlemen, bitte erheben Sie sich für den König des Vereinigten Königreichs und das Oberhaupt des Commonwealth of Nations, Seine Majestät König Alexander IV, den Prince Consort Simon und Seine Königliche Hoheit den Duke of York.“, kündigte jemand mit voller Bassstimme an.
Es wurde die Hymne gespielt. Alle standen, als ich in den Festsaal trat, oder zumindest fast alle: Fünf Botschafter waren demonstrativ sitzen geblieben, die Plätze von Simbabwe und Uganda blieben erwartungsgemäß unbesetzt. Immerhin stand der Botschafter von Jamaika. Ich konzentrierte mich darauf, keinen Fehler zu machen. Dieser Moment würde ja bestimmt in den Nachrichten ausgebreitet werden.
Als nun Simon neben mir Platz nahm, war das doch zu viel für den sitzen gebliebenen iranischen Botschafter. Auch der vorher noch stehende sudanesische Vertreter trat vom Tisch weg und verließ den Saal. Der Iraner ging demonstrativ hinter mir und den anderen Gastgebern durch, damit die Kameras die Szene nicht diskret verbergen konnten. Der Sudanese dagegen hatte einen kürzeren Weg nach draußen gewählt. Ein paar weitere Botschafter setzten sich während des stolzen Abganges des Iraners demonstrativ, während ich noch stand. Das war eine bewusste Verletzung des Protokolls.
Simon drückte kurz meine Hand und ging anschließend schnell hinaus, daraufhin erhoben sich diejenigen wieder, die sich eben gesetzt hatten.
„Sascha, wir sprechen uns nach dem Dinner!“, zischte Cramer angesichts des Platztausches. Ich beschloss, auf das wütende Zischen des Premiers nicht zu reagieren, und setzte mich, obwohl alle meine Instinkte wollten, dass ich Simon sofort nacheilte. Doch wenn ich jetzt den Jahrhundert-Skandal auslösen würde, müsste ich in die Schweiz zurück, mir dort die Haare schwarz färben und mir einen Bart wachsen lassen.
„Seine Majestät hält nun die Tischrede. Es ist erlaubt, sitzen zu bleiben“, verkündete der Earl.
Ich rückte das Mikrofon zurecht. Das war etwas kindlich und für alle ein deutliches Zeichen meiner Anspannung. Den Text der Außenministerin sprach ich wenig professionell, aber verständlich. Es folgte die Erwiderung des dienstältesten Botschafters, eines Norwegers, der sich ebenfalls an den vorbereiteten Text hielt. Das ganze Dinner wurde nun herzlos abgearbeitet. Ich war zu nervös und zu verärgert, um mich zu unterhalten. Diese Wut steigerte sich so weit, dass ich den Gang mit dem Fisch absichtlich so schnell wegputzte, dass er den letzten Botschaftern gar nicht mehr serviert wurde. Für alle war es offensichtlich, dass am Gastgebertisch grimmige Eiszeit herrschte.
Nach dem verpatzten Fischgang lehnte ich mich vor und winkte Earl Binnester zu mir, der am Rand des Saales den Ablauf des Banketts beobachtete.
„Earl Binnester, der Platztausch war Ihre Idee. Ich erwarte, dass Sie mit mir nachher zum Premier kommen!“
Cramer drehte sich mit bösem Blick zu Binnester, der so tat, als hätte er es nicht bemerkt, und sich wieder in den Hintergrund zurückzog.
„Sascha, Sie bedanken sich jetzt bei allen und dann nichts wie raus hier!“, zischte mir Cramer zu.
Ich tat, was Cramer wollte, und stand auf. Alles erhob sich wieder bis auf ein Dutzend Botschafter, darunter mit Weißrussland und Litauen auch erstmals europäische Länder. Ich wartete einen Moment, um zu sehen, ob die Zahl der Verweigerer wirklich zugenommen hatte oder ob der eine oder die andere nicht gemerkt hatte, dass man sich erheben sollte. Es half nichts, sie machten es absichtlich. Nun verschränkten sie die Arme und blickten mich an, um deutlich zu machen, dass dies ein bewusster Verstoß gegen die Etikette war.
„Exzellenzen. Ich danke Ihnen allen, dass Sie zum Antrittsbesuch hier erschienen sind. Die kleinen protokollarischen Versehen bitte ich zu entschuldigen. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen und mit den durch Sie vertretenen Nationen. Ich wünsche eine angenehme Nacht.“
Endlich war ich draußen im Flur. Jetzt
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