Plötzlich Royal
„Ihr beide seid zuoberst, ihr entscheidet und könnt euch nicht auf Befehle berufen, wenn was schiefgeht.“
„Ich bin jedenfalls auf Timms Seite“, versicherte Simon. „Wir gehen jetzt ins Bett, anstatt uns zu zanken. Timm, wenn sie uns rausschmeißen, kommst du mit in die Schweiz!“
Also zogen wir es vor, die Sache offiziell nicht zu kommentieren, und Grant konnte das Laptop wieder zuklappen. Cramer wurde von seiner Außenministerin abgeholt, und damit war der Abend hoffentlich endlich vorbei. In der Suite legten wir uns aufs Bett und starrten einen Moment zur Decke. Simon machte noch ein Posting auf dem Mäuschenforum und ich kuschelte mich an seine Seite. Das gab etwas Halt, denn im Moment erschien es mir unendlich schwer, ein guter König zu werden. Ich sah zu, wie Simon sein Posting tippte.
„Der Antrittsbesuch des Diplomatischen Corps ging eben zu Ende. Der Lord Chamberlain (Haushofmeister) wollte helfen und schob entgegen der offiziell abgemachten Sitzordnung im letzten Moment Simon neben Sascha. Ein paar Botschafter meinten daraufhin, den Homophoben raushängen lassen zu müssen. Der Iraner und der Sudanese sind sogar demonstrativ gegangen. Lest ihr morgen alles in der Presse. Wichtig ist aber: Sascha hat nur seinen Job gemacht. Es war nach der Etikette sogar richtig, dass Sascha und Simon nebeneinandersaßen. Schade, dass Premierminister Cramer und Sascha morgen von der Presse fertiggemacht werden. Stattdessen sollten die Reporter mal die Homophoben wie Iran, Sudan und Simbabwe ins Visier nehmen. Man bleibt nicht sitzen, wenn der König steht, egal wie homophob man ist. Gruß, das Palastmäuschen.“
Seiner Majestät Spion
Eigentlich wäre ich wie immer um halb sechs erwacht, doch an diesem Morgen meinte ich, das Chaos erwarte mich noch früh genug, ignorierte den Dudelsack vor dem Fenster und scheuchte den Butler mit einem barschen „Später!“ hinaus. Dann stellte ich den Wecker auf 5.55 Uhr, kuschelte mich an Simons Brust und schlief wieder ein, bis plötzlich Grant neben dem Bett stand und meinte, der Kapitän solle auf der Brücke und nicht in der Kabine sein, wenn die HMS Buckingham in schwere Fahrwasser gerate. Earl Amble sei im Palast und habe diese amüsante Metapher verwendet.
Wir hatten den Wecker überhört. Was blieb uns anderes übrig, wir konnten ja nicht unter der Decke bleiben, also war die Morgentoilette angesagt und dann ging es auf die Brücke der HMS Buckingham.
Auf der Brücke bzw. im Büro erwarteten uns Grant, der Colonel, Earl Binnester und Earl Amble. Alle erhoben sich.
„Captain an Deck“, meldete Grant, wohl um Earl Ambles Spiel weiterzuführen.
„Earl Amble, was verschafft uns die Ehre?“ Er trug tatsächlich eine Admiralsmütze, die er nun abnahm. Er war wohl früher ein hoher Offizier der Marine gewesen. Hoffentlich hatte ich das Rangabzeichen richtig gelesen.
„Nun ja, wenn wir bei der Metapher mit der HMS Buckingham bleiben wollen, dann möchte ich versuchen zu lotsen, wenn sie in stürmischer See ihren Weg durch ein Riff sucht.“
„Ich gehe davon aus, dass wir von Haien und nicht von Delfinen begleitet werden?“
„Wenn Sie auf die Presse anspielen, Sire?“, fuhr der Gefolgsmann der Queen fort. „Sagen wir es so. Hätten Sie gestern als Pianist ein Konzert gegeben, King Sascha, dann würde die britische Presse schreiben, Sie hätten zwar brav geübt, aber ein Wunderkind seien Sie nicht. Meine Herren, es ging leider etwas schneller mit dem schwulen König und nun sind eben die vorhergesehenen außenpolitischen Schwierigkeiten eingetreten. Das gestern war nur der erste Brecher, der über Deck spülte.“
Earl Binnester warf einen Computerausdruck auf den Tisch mit einer englischen Übersetzung des Mäuschens von queer.de und blickte mich streng über seine halben Brillengläser hinweg an: „Das ist wohl ein Aufruf an die Truppen?“
„Das ist Ihr Text, Simon?“, fragte Earl Amble.
„Wir posten abwechselnd“, erklärte ich.
„Herrlich, der Feldherr sammelt seine Truppen.“ Der Admiral außer Dienst blickte zum Colonel und zu Binnester. „Ihr habt einen unsicheren, gut lenkbaren Schwulen erwartet, und nun habt ihr einen Revolutionär, der mit wehender Regenbogenfahne auf die Bastille losstürmt! Der Haken ist nur: Warum soll der König die Bastille stürmen? Da stimmt etwas nicht in der Rollenverteilung.“
„Danke, Earl Amble, für die blumigen Vergleiche“, meinte ich ironisch.
Der Earl zog seinen Mantel an und drehte sich, mit
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