Plötzlich Royal
gehört, außer ich solle nicht mehr nach Russland fahren. Doch nun war alles anders.
Ich war noch nicht fertig mit Packen, als die richtige Polizei und nicht die Heerespolizei schon unten bei der Fahrzeugparkwache anhielt. Ich musste sie etwas warten lassen; die Verabschiedungen brauchten eben ihre Zeit, ich wollte meine Leute nicht vor den Kopf stoßen. Der eitle Blick in den Spiegel musste ebenfalls sein. Mit meinen dreiundzwanzig Jahren hatte ich noch immer ein eher knabenhaftes Aussehen. Die Schweizer Soldaten sind eben gutmütige Leute, dass sie mir trotzdem gehorchten.
Zu Hause stand ein Wagen der Kantonspolizei Zürich vor der Villa. Die Polizei sorgte provisorisch für Sicherheit, bis von England aus beauftragte Bodyguards übernehmen würden. Ich zog die Uniform aus, schloss das Gewehr und die Pistole im Safe ein, den Verschluss beider Waffen versteckte ich an einem anderen Ort, versorgte die Uniform und verstaute allen anderen Militärkram. Die Arbeit lenkte mich von meinen Sorgen um die Zukunft ab. Normalerweise schmiss ich das Militärzeugs bei der Heimkehr in eine Ecke und machte mich erst nach ein paar Tagen ans Aufräumen.
Ich hängte die Ausgangsuniform in den Schrank. Dort hingen auch die Röhrenjeans, die ich an der Verlobungsfeier meiner Schwester getragen hatte. Passten sie noch? Die 65 Kilo hatte ich mit viel Lauftraining gehalten. Vielleich musste ich eine Idee mehr Kraft aufwenden, um den Bund zu schließen, doch das könnte auch daran gelegen haben, dass die Hose frisch gewaschen war. Der Knopf war drin, allerdings spannten sie zu Beginn etwas im Schritt. Doch das machte ja das Feeling aus. Ich hatte über die drei Jahre des Studiums bis zum Physik-Bachelor meinen Jeans-Fetisch zusammen mit Simon wahrlich gut gepflegt. Ja, ich könnte tatsächlich noch behaupten, ich wäre achtzehn, lachte ich vor dem Spiegel.
Das Handy klingelte! Es war eine britische Nummer. All die frechen Gedanken wurden wie weggeblasen. Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, als ich die grüne Taste drückte.
„Guten Abend, Mr Burger. Mein Name ist Grant, Deputy Secretary to the Sovereign. Ich rufe im Auftrag Ihres Großvaters George, des Prince of Wales, an. Seine Königliche Hoheit möchte fragen, wann es Ihnen für eine Videokonferenz via Internet passt. Sind Sie nicht zu Hause?“
„Was? Doch, ich bin zu Hause in Zürich. Entschuldigung, ich hatte nur vergessen, den Anrufbeantworter auszuschalten. Ich gehe nach unten ins Büro und rufe via Skype – das ist Internettelefonie – zurück. In zehn Minuten?“
„Wir vom königlichen Haushalt verfügen über diese Software und passende Kameras. Die Details zu der Verbindung finden Sie in einer E-Mail. Ich erwarte gerne Ihren Rückruf, Mr Burger.“
Der englische Sekretär hatte aufgelegt. Ich zog ein weißes Kragenhemd an, stopfte es in die Jeans, ging in Papis Büro hinunter an den Computer. Mit den Angaben aus der E-Mail des königlichen Haushalts baute ich mit Skype die Bildtelefonverbindung nach London auf.
Mein erster Gedanke, als mein Großvater mütterlicherseits im Computerfenster erschien, war, wie alt er geworden war. Ich war noch ein Kind, als ich Prinz George, den Prince of Wales, das letzte Mal gesehen hatte.
„Ich bin sehr überrascht über die Entscheidung des Oberhauses“, begann ich, da ich nicht genau wusste, ob Großvater George gemerkt hatte, dass die Verbindung bereits stand.
„Danke. Ja, wir leben in einer Zeit des Wertewandels. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen für den spärlichen Kontakt, den die Heirat Ihrer Mutter …“
Er schien nicht gerade begeistert zu sein von der Entscheidung des Parlaments. Dennoch: Adel verpflichtet.
„Wäre die vertraulichere Anrede Sascha und Großvater recht?“, fragte Seine Königliche Hoheit.
„Selbstverständlich, Großvater.“ Ich wusste, das war nicht der Zeitpunkt, den Beleidigten zu spielen.
„Als Royal hat man immer Kompromisse zwischen dem Gefühlsleben und den Pflichten einzugehen. Deshalb duldete unser Gespräch keinen Aufschub. Wenn Gott will, werde ich in einigen Jahren für wohl nicht allzu viele Jahre der nächste König, ich bin ja nur eine knappe Stunde älter als mein Bruder Charles, dessen Söhne ja eigentlich auf die Thronfolge vorbereitet wurden. Doch nun bist du Kronprinz nach der Erbfolge, wie sie das Parlament sieht. Deine Mutter wird nach wie vor übersprungen, wegen der katholischen Heirat.“
„Du weißt von gewissen Gerüchten in der
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