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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Geoffrey in Harrys Gefolge: The Royal Household: The Last Bastion of Good Form, Etiquette, and Protocol. Den Artikel hatte ich gestern Abend auf dem Portal The Royal Pages des berühmten Royal-Experten Sir Wilfried gefunden. Sir Geoffreys Artikel war eine klare Absage an Schweizer Lausbuben in wadenengen Röhrenjeans und pinkfarbenen Hemden.
    Prince Harry stellte mir seine hübsche blonde, aus dem südlichen Afrika stammende Freundin namens Chelsy vor. Damit war wohl alles klar: Mein Experiment war schon im Ansatz gescheitert. So platzten auch alle Fantasien, die Queen müsse sich künftig mit einem schwulen Prinzen auseinandersetzen.
    Das erneute Kichern meiner High-Society-Schwester plus Schwägerin in spe bestätigte nochmals, dass ich selbstverständlich null Ahnung von Mode und Benehmen hatte. Die Fotoapparate der Boulevardpresse klickten, surrten und blitzten wild durcheinander und es wurden die üblichen nichtssagenden Fragen gestellt.
    Es folgte die kleine Zeremonie, um die sich hier alles drehte und bei der Prince Harry und Sir Geoffrey im Auftrag Ihrer Majestät meiner Schwester den Titel Lady Carmen verliehen. War ich neidisch? Jedenfalls hielt ich mich im Hintergrund und verzichtete darauf, meiner Schwester wie alle anderen ein Sträußchen zu überreichen und mit Küsschen rechts und links zu gratulieren. Dieses süßliche, unehrliche Jetset-Getue nervte mich.
    Nach der Titelverleihung folgte die von vielen sehnsüchtig erwartete Bekanntgabe der Verlobung meiner Schwester mit Leopold. Wieder waren jede Menge Küsschen fällig. Bei meiner Schwester konnte ich nicht nochmals kneifen. Wenigstens bewahrte mich mein Regenbogen-Gürtel vor Verkupplungsversuchen mit Leopolds Schwester.
    Danach bestimmte zunächst die Hierarchie, wer nacheinander mit Prince Harry ein paar Worte plaudern durfte, bevor das Büffet eröffnet würde. Mum hatte keine Tafel aufstellen lassen, sondern etliche runde Gartentische, denn eine Tafel würde automatisch eine Hierarchie herstellen. So konnte sich jeder zu jedem setzen, das war zumindest ihre Idee dabei.
    Ich war kein Mauerblümchen, sondern quatschte die Leute gerne neugierig an. Die meisten plauderten mit mir über das Militär. Die Abstimmung vor einem Monat und meine sexuelle Orientierung schienen kein Thema zu sein. Gelegentlich musste ich über das Schweizerdeutsch-Englisch der Gäste schmunzeln, mit dem sie Harry ansprachen. Ich hatte das Glück, durch Mum Englisch schon von der Krabbelkiste an gelernt zu haben, und war zweisprachig – nein, dreisprachig, die Züri-Schnurre nicht zu vergessen. Dafür hielt sich mein Französisch in Grenzen; das war, neben Religion, mein schwächstes Fach. In Religion hatte ich absichtlich nur ungenügende Noten, denn ein Klassenkamerad hatte einmal den Pfarrer nach seiner Meinung über Schwule gefragt. Der Mann der Kirche antwortete, Homosexualität sei etwas ganz schlimmes. Das traf mich wie ein Schlag in den Bauch.
    Das Büffet mit allerlei fettigem Grillzeug wurde eröffnet, und da ich fettes Essen nicht ausstehen konnte, holte ich mir nur eine Portion gemischten Salat. Ich war fest entschlossen, fünf Kilo Distanz zum Horrorgewicht von siebzig Kilo zu halten. Eine fetttriefende Wurst oder ein mit Kräuterbutter beschmiertes Steak kam deshalb nicht in Frage, auch wenn Papi extra einen Fünfsternekoch engagiert hatte. Ich setzte mich an einen der runden Vierertische und legte etwas flegelhaft meinen linken Fuß aufs rechte Knie. Das war eben meine Macke. Die pubertäre Idee, den Prinzen anzumachen, hatte ich längst vergessen und schaute auf das Alpenpanorama, das dank leichter Föhnlage zum Greifen nah schien. War die Sorge um mein Gewicht typisch schwul? Nein, alle in meiner Gymnasialklasse hatte peinlichst auf ihr Gewicht geachtet.
    „Ist es erlaubt?“ Prince Harry stand vor mir. Ich stellte meinen Fuß wieder auf den Boden, um etwas Haltung anzunehmen, und erhob mich beim „Selbstverständlich, bitte!“ um ein paar Zentimeter. Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass ich durch meine Beschränkung auf den Salat der Einzige war, der bereits saß.
    Wir begannen mit Smalltalk. Der Prinz eröffnete mit einer Bemerkung über das Alpenpanorama, doch die Höflichkeit eines Diplomatenempfangs passte nicht zu den roten Haaren und dem Lausbubengesicht, dem ich mich gegenübersah. Ich wollte testen, wie der Prinz auf eine kleine Portion Unverschämtheit reagieren würde.
    „Wir sind ja Vettern anderthalbten Grades. Wir dürfen uns doch

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