Ploetzlich verliebt
denn ich konnte die ganze Zeit nur an eines denken.
Daran, was vor meiner Haustür passieren würde, wenn wir uns verabschiedeten. Daran, dass mein erster Kuss unmittelbar bevorstand.
Das war so sicher wie ein Hochsicherheitstrakt.
Was, wenn ich das mit dem Küssen nicht hinbekam? Wenn ich alles falsch machte? Konnte doch sein.
Und dann waren wir da. »Ãhm, hier wohne ich«, sagte ich.
Henri nickte und lieà meine Hand los. Ohne seine Hand wurde mir auf einmal ganz schön kalt. Der Wind zerrte an meinen Haaren. Das ganze Theater mit dem Glätteisen hätte ich mir sparen können.
»Du zitterst ja«, sagte Henri leise. Und dann zog er mich an sich, steckte die Nase in mein Haar und schnupperte. »Hmm, wie gut du riechst«, flüsterte er in mein Ohr. »Irgendwie nach Nüssen und Honig â¦Â«
Alle meine Nackenhaare richteten sich auf, gleichzeitig musste ich grinsen: Dann hatte die ganze Schönheitsprozedur also doch etwas gebracht. Ich schmiegte mich an ihn und blieb so, bis er mich vorsichtig wieder von sich schob und mir lange in die Augen sah. »Suse«, sagte er. »Ich würde dich jetzt gern küssen.«
»Dann sind wir uns ja einig«, flüsterte ich. Aber ich bekam meine Lippen fast nicht auseinander, so sehr zitterte ich. Wahrscheinlich hatte es eher so geklungen wie »Dnssnwiruussjeini«.
Aber er hatte mich wohl trotzdem verstanden, zum Glück. Sanft legte er seine Fingerspitzen auf meine Wange, ich machte die Augen vorsorglich zu und stellte mich auf die Zehnspitzen. Dann lehnte ich mich etwas nach vorn.
Und da küsste ich schon leicht seine Unterlippe. Er meine Oberlippe. Ãberall um uns herum knisterte es, ich schien nur noch aus Lippen zu bestehen und aus Atem. Denn ich atmete die Luft ein, die er ausatmete, und umgekehrt. Ich hob mein Gesicht noch etwas und berührte jetzt seine Oberlippe. Hm. Hmmmmm. Was für unbeschreiblich weiche, sanfte Lippen er hatte.
Es war einfach UNGLAUBLICH.
Und dauerte eine Ewigkeit und dauerte nicht annähernd lange genug.
Irgendwann schob Henri mich sanft von sich, küsste mich noch einmal kurz auf die Lippen und sagte: »Gute Nacht, Suse. Bis morgen in der Schule.« Er lächelte. Mindestens so breit wie ich.
Nach einem letzten tiefen Gewitterwolkenblick drehte er sich um und ging mit groÃen Schritten davon. In der nächsten Sekunde war er in der Dunkelheit verschwunden.
Ich stand noch eine Weile mit kribbelnden Lippen, kribbelnden Händen, kribbelndem Bauch und kribbelndem ALLES vor unserem Gartentor und konnte nicht fassen, was gerade geschehen war. HeartbreakerHenri, der Hauptgott mit den ozeangrausten und geheimnisvollsten Augen der Welt, hat mich, Suse Abendschön, dreizehn, bis dahin ungeküsst, GEKÃSST! Ich stieà die Faust in den Himmel und tanzte auf der Stelle.
Dann hechtete ich übers Gartentor, weil ich nicht wusste, wohin mit meiner überschüssigen Energie. Unser Garten wurde durch die Lichter im Haus leicht erleuchtet, ich legte einen Eins-a-Spurt quer durch den Garten hin, hüpfte über das Beet, machte eine Rolle vorwärts und sprang wieder auf. Zuletzt war mir nur noch der Gartentisch im Weg und ich setzte zu einem Luftsprung an.
Leider blieb ich mit der rechten Stiefelspitze an der Tischplatte hängen, machte einen ungewollten Ãberschlag und landete auf dem Hintern im nassen Gras, direkt unter unserem Fenster.
Ãber mir hörte ich leises Kichern. Hatten Luna und Marli uns etwa die ganze Zeit beobachtet?
Ich rappelte mich wieder hoch und rieb mir den Hintern. »Sehr witzig«, zischte ich, dann setzte ich einen Fuà auf das Rosenspalier und kletterte leichtfüÃig wie von tausend bunten Luftballons getragen hinauf.
Marli und Luna streckten mir die Hände entgegen, um mich mit vereinten Kräften ins Zimmer zu ziehen.
»Erzähl!«, krähte Luna schon, als ich noch halb über dem Fensterbrett hing.
»Das sah gut aus«, sagte Marli. »Das mit dir und Henri. Nun, zumindest von hier aus.«
»Deluxe © «, stimmte Luna zu und nickte begeistert.
»Ihr habt ALLES gesehen?!« Gerade wollte ich empört die Hände in die Seiten stemmen, als ich begriff, was Marli gerade gesagt hatte: »Das sah gut aus, ja?«
Marli nickte.
Und da begann ich zu grinsen wie die Grinsekatze bei Alice im Wunderland . »Mensch, bin ich verliebt!«
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