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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu tun in ihren Treibhäusern«, klärte mich Nora auf.
    »Und was ist mit Christian?«, fragte ich endlich.
    »Nun, Christian muss jetzt die Schule leiten, wo der Rektor sich hier erholt. Dort drüben steht er, bei Augusta. Rita hat ihn angerufen. Er ist ganz beruhigt und hat daher die Polizei zurückgepfiffen. Offiziell ist sie jetzt auf einem Erholungsurlaub – akute Erschöpfungsdepression. Eine ihrer Freundinnen, eine Psychiaterin, hat das arrangiert. Die Lage hat sich beruhigt. Jetzt geht’s gleich zum Bankett.«
    Ich hörte eine Band beschwingte Musik spielen. Unplugged. »Viel Prominenz hier«, sagte ich zu Nora.
    »Zufall. Roberto hat sich seine Gäste nicht einzeln ausgesucht. Das Buch diente als Köder, oder Filter. Die Gesellschaft, die sich hier eingefunden hat, ist ziemlich zusammengewürfelt. Komischerweise verstehen sich alle bestens.«
    »Muschg ist nicht hier«, stellte ich zufrieden fest.
    »Der liest solche Sachen nicht.«
    Die meisten Gäste kannte ich nicht. Sie vermischten sich jetzt immer mehr mit den Stadtbewohnern, die mich äußerst herzlich als »Paulo« begrüßten, küssten und tätschelten.
    Ich hielt mich an Noras Seite, um nicht zu riskieren, neben Heinz Nigg zu sitzen, der mich sicher interviewen würde. Schließlich saß ich neben Nora, gegenüber hatte ich Thomas Schneider, darum herum Monika, Cornelia, Lea, Augusta (die Rektorin des lokalen Gymnasiums), Aldo (einen Informatiker) und Fernando (um die siebzig, weißer Bart, Glatze, pensionierter Geschäftsführer).
    Das Abendessen fand in und vor einem großen Restaurantstatt, wobei die Tische sich bis unter die Arkaden und über den Platz verteilten. Es war ein eher familiärer Anlass, keine weißen Tischtücher, keine spürbare Organisation. Es gab eine Feijoada, diverse Salate, Rösti, verschiedene Brote, Bratwürste, gebackenes Gemüse, Wein, Cachaça, Bier, Fruchtsäfte, Limonaden.
    Schüsseln wurden herumgereicht, Karaffen erschienen auf dem Tisch, Schweinsohren und -schwänzchen wurden mir als Ehrengast angeboten.
    »Also nochmals«, sagte ich irgendwann zu Thomas, der jetzt entspannt und fröhlich aussah, »Roberto Manetti will aus einem inneren Drang heraus einfach nett zu uns sein, weil wir es in der Schweiz so schwer haben.«
    »Genau«, antwortete Thomas, »weil er ein netter Mensch ist, findet er, wir hätten etwas Gutes verdient, eine kleine Auszeit, etwas Aufmunterung, etwas Anerkennung.«
    »Das gibt es doch nicht. Da muss etwas dahinterstecken.«
    »Das dachten wir auch«, sagte Nora, »wir suchten nach dem Kleingedruckten, aber es gibt keines.«
    »Wir mögen euch«, versicherte uns Augusta, die Rektorin, »wir laden auch Menschen aus andern Teilen Brasiliens ein. Wir sind so, wir sind gerne gastfreundlich. Wir sind natürlich stolz auf das, was wir hier geleistet haben.«
    Sie sprach sehr gut Deutsch, was übrigens auch für die andern brasilianischen TischgenossInnen galt.
    »Uns geht’s gut«, sagte der alte Fernando, »aber so richtig gut geht’s einem doch erst, wenn andere daran teilhaben können. Alle Glücksforscher bestätigen das.«
    »Macht ihr Glücksforschung?«, fragte ich.
    »Wir machen alle Arten von Forschung«, bestätigte Fernando, »agronomische, ökotechnische, ökonomische, sozialpsychologische. Keine Angst, wir sind keine Altruisten. Wir sind nur neugierig.«
    Er prostete mir lachend zu.
    »Genieß es einfach«, schärfte mir Cornelia ein.
    »Das ist nicht so einfach.«
    Während ich meine schwarzen Bohnen aß, grübelte ich darüber nach, was alles nicht zusammenpasste. Auf dem Parkplatzvor einem Shopping-Center hatte ich eine große Zahl von Autos gesehen. Warum gab es hier Coca-Cola-Werbung? War das eine utopische Siedlung oder ein potemkinsches Dorf, wo Roberto als Patriarch herrschte?
    »Du wirst bei uns wohnen«, stellte Fernando klar, »wir haben dir ein schönes Zimmer bereit gemacht.«
    »Er wohnt natürlich bei uns«, widersprach ihm Augusta, »da sind auch schon Nora, Joe und Noemi, die er kennt.«
    »Kommt gar nicht in Frage«, meldete sich Aldo, »er wohnt bei uns, neben Philipp und Heinz.«
    »Ich wohne gern bei allen von euch«, lavierte ich.
    Zwischendurch musste ich genau erzählen, was mir alles zugestoßen und wie ich nach Alívio gekommen war.
    »Du kannst Manetti immer noch lesen«, versicherte mir Thomas, »es gibt noch einige Exemplare, auch hier. Ich würde sogar sagen, das hier ist der ideale Ort, um die Notizbücher zu lesen. Du hast Ruhe, du kannst mich fragen,

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