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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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Möbel, Teppiche, Vorhänge, Kunstgegenstände, Lampen ausleihen oder bestellen konnte. Man lebte wie in einem Viersternehotel oder einem viktorianischen Palast, meine
habicombi
hieß denn auch Blenheim.
    Da ich Gast war, musste ich keinen Beitrag an allgemeinen Hausarbeiten leisten. Die vier Sterne fielen also nicht einfach vom Himmel.
    Marc, ein Leser aus Wipkingen, setzte sich zu uns und erbot sich, mir alles zu zeigen. Erica verließ uns und kümmerte sich um ihre Angelegenheiten.
    »Ich habe schon im Alhambra, Prado, Windsor, Schönbrunn und Knossos gewohnt«, berichtete er mir, »alle sind gut, auch Blenheim hier. Knossos hat einen schöneren Hinterhof, Alhambra besseres Essen, Windsor eine phantastische Gemäldesammlung. Die Alivianer ziehen immer einmal wieder um, wenn es ihnen langweilig wird. Das ist ganz problemlos: du nimmst die Tasche mit deinen paar Sachen und wanderst ein paar Straßen weiter.«
    »Und die Kinder?«
    »Kindergärten gibt’s überall. Auch die Kinder lieben den Wechsel. Ihre Spielkameraden treffen sie sowieso wieder. Es ist hier alles sehr nahe.«
    »Die Leute haben keine Wohnungen?«
    »Doch, doch, du kannst als Paar zwei oder drei Zimmer nebeneinander haben, sie sind durch Türen verbunden. Wenn du dann länger bleibst und noch Kinder dazukommen, wird das wohl so etwas wie eine Wohnung.«
    »Selber kochen?«
    »Kannst du auch: Es gibt mobile Gaskochelemente, die du installieren kannst. Aber das kostet dich natürlich ein paar Ökopunkte.«
    »Ich sehe schon: Man will hier in einer Kleinstadt den Planeten retten.«
    »Darum geht’s doch nicht«, protestierte Marc, »man probierthier einen neuen Lebensstil aus. Ökologisch müssen in naher Zukunft weltweit alle Lebensstile werden, die Grenzen sind nun einmal erreicht. Bei uns zu Hause ist nachhaltiges Leben ein Krampf, hier wirst du darin unterstützt, und es geht so leicht, dass du gar nichts merkst. Du wirst schon sehen, nach einer Woche wirst du Worte wie ökologisch, nachhaltig oder weltverträglich gar nicht mehr aussprechen, ja nicht einmal mehr denken.«
    »Die Privatsphäre ist garantiert?«, fragte ich.
    »Absolut. Niemand betritt dein Zimmer, wenn du es nicht erlaubst.«
    »Aber Wohnen ist passé.«
    »Wenn man es sich überlegt, ist es ein ziemlich kurioses Konzept, nur verständlich als Verteidigungsdispositiv in einer als feindlich wahrgenommenen Umwelt.«
    Robertos Ankunft unterbrach unser Gespräch.
    Die Büros der Alivicom befanden sich am Rande der Stadt, direkt neben einigen Fabrikationsanlagen.
    Wir gingen zu Fuß. Da die Stadt kompakt gebaut ist, kann man innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder in drei Minuten auf dem Velo alles erreichen. Darum gibt es in Alívio nicht einmal Busse.
    Wir kamen an der Schule inklusive Theater- und Musiksaal, Bibliothek, Sportanlagen vorbei. Dieses Lern- und Kulturzentrum war so nahe am Hauptplatz, dass es diagonal mit ihm kommunizierte und für alle zugänglich war.
    Robertos Büro war nichts Besonderes. Etwa ein Dutzend Leute arbeiteten dort. Er hatte noch einen privaten Büroraum, den er jedoch nur selten benutzte, weil er die Leitung der Firmengruppe schon vor einigen Jahren abgegeben hatte. Als Erstes zeigte mir Roberto ein Organigramm an der Wand.
    »Alívio besteht aus drei miteinander kommunizierenden, aber unabhängigen Systemen. Zuerst einmal haben wir dreißig
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wie Blenheim, wo du wohnst. Sie sind unabhängige Genossenschaften, die auch ihr eigenes Land haben, je einen Quadratkilometer. Zweitens gibt es die Gemeinde Alívio, die die öffentlichen Dienste gewährleistet –Energie, Wasser, Schulen, Spital, Polizei usw. Schließlich haben wir Alivicom, eine Holding von 24 Aktiengesellschaften, dazu noch einige Dutzend Einzelunternehmen und Privatfirmen. Im Jahr 1975 wohnten hier nur einige Hundert Menschen, der Ort hatte nicht einmal einen Namen. Ich gründete damals eine erste
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, kaufte Land, holte Agronomen, gründete eine erste Verarbeitungsanlage für Sojaprodukte. Alivicom wurde zu einer Art Katalysator: Die Produktionsanlage schuf Arbeitsplätze, diese wiederum Lohneinkommen, das wiederum Steuern, die wieder öffentliche Dienste und
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-Genossenschaften usw. Damit bestimmte Schwellen überschritten werden konnten und um meine Kontrolle zu erhalten, investierte ich immer wieder Kapital.«
    »Kontrolle – das heißt, ökologische und soziale Parameter garantieren?«
    »Genau, Gestaltungsfreiheit erhalten in einem ungünstigen Umfeld. Den

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