Poirot Rechnet ab
hinauskomplimentiert.
»Ich bin enttäuscht«, sagte Poirot, als wir auf die Straße kamen.
»Sie haben wohl gehofft, mehr zu erfahren? Die alten Herren sind recht reserviert.«
»Es ist nicht ihre Reserviertheit, die mich enttäuscht hat, mon ami. Ich hatte ja nicht erwartet, in den Direktoren der Bank kühne Finanziers mit Adlerblick zu finden, wie es so schön in Ihren Lieblingsbüchern steht. Nein, ich bin von dem ganzen Fall enttäuscht – er ist zu einfach!«
»Einfach?«
»Ja, finden Sie die Sache nicht einfach, geradezu kindisch leicht?«
»Wissen Sie denn, wer die Staatsanleihen gestohlen hat?«
»Ja, ich weiß es.«
»Aber dann… müssen wir…«
»Machen Sie sich keine Gedanken, und regen Sie sich nicht auf, Hastings. Im Augenblick müssen wir gar nichts.«
»Aber warum denn? Worauf warten Sie?«
»Auf die Olympia. Sie legt am Dienstag wieder in England an.«
»Aber wenn Sie wissen, wer die Staatsanleihen gestohlen hat, warum dann noch warten? Kann der Täter nicht entkommen?«
»Auf eine Südseeinsel? Dort besteht für ihn keine Auslieferungsgefahr. Nein, mon ami, das Leben dort wird ihm nicht gefallen. Warum ich warte? Eh bien, für einen Hercule Poirot ist der Fall völlig klar, aber für andere, die vom lieben Gott nicht so reich mit Verstand bedacht worden sind – zum Beispiel für Inspektor McNeil –, wäre es besser, noch einige Ermittlungen anzustellen, um Beweise zu bekommen. Man muss immer an seine weniger begabten Mitbürger denken.«
»Großer Gott, Poirot! Wissen Sie, ich würde viel Geld dafür ausgeben, nur um einmal zu erleben, dass Sie so richtig reinfallen – nur einmal! Sie sind so schrecklich von sich selbst überzeugt!«
»Regen Sie sich nicht so auf, Hastings. Ich weiß, dass Sie mich zeitweilig nicht ausstehen können! Ach, große Geister leiden viel.«
Der kleine Mann warf sich in die Brust und seufzte so komisch, dass ich lachen musste.
Am Dienstag saßen wir in einem Erster-Klasse-Abteil nach Liverpool. Poirot hatte sich hartnäckig geweigert, mir auch nur Andeutungen zu machen. Er badete sich sozusagen in dem Vergnügen, weil ich noch immer völlig im Dunkeln tappte. Ich hielt es für besser, keine Fragen mehr zu stellen, und verbarg meine Neugier hinter vorgespiegelter Gleichgültigkeit.
Am Kai, an dem das große Transatlantikschiff lag, angekommen, wurde Poirot hellwach. Wir interviewten hintereinander vier verschiedene Stewards und erkundigten uns nach einem angeblichen Freund Poirots, der am Dreiundzwanzigsten nach New York gefahren war.
»Ein ältlicher Herr, der eine Brille trug, ein Kranker, er konnte kaum die Kabine verlassen.«
Diese Beschreibung schien auf einen Mr Ventnor zuzutreffen, der die Kabine C 24 gehabt hatte, direkt neben der von Philip Ridgeway. Obwohl ich nicht wusste, wie Poirot auf die Existenz und die Personenbeschreibung dieses Mr Ventnor gekommen war, fühlte ich mich sehr aufgeregt.
»Sagen Sie«, rief ich, »war dieser Herr einer der ersten Passagiere, die in New York ausstiegen?«
Der Steward schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, er war einer der Letzten, die von Bord gingen.«
Ich schwieg mutlos und bemerkte, dass Poirot mich angrinste. Er dankte dem Steward; eine Banknote wechselte den Besitzer, und wir fuhren ab.
»Alles schön und gut«, bemerkte ich hitzig, »aber diese letzte Antwort muss Ihre feine Theorie ganz schön über den Haufen geworfen haben, und wenn Sie noch so grinsen!«
»Wie immer sind Sie blind und taub, Hastings. Im Gegenteil, die letzte Antwort war ein Grundpfeiler meiner Theorie.«
Voller Verzweiflung hob ich die Arme.
»Ich gebe es auf«, sagte ich.
Wieder im Zug nach London, schrieb Poirot einige Minuten lang emsig und versiegelte das Resultat seiner Arbeit dann in einem Kuvert.
»Das ist für den guten Inspektor McNeil. Wir wollen es im Vorbeifahren bei Scotland Yard abgeben und dann in das Restaurant gehen, in das ich Miss Esmée zum Dinner eingeladen habe.«
»Und was ist mit Ridgeway?«
»Ja, was ist mit ihm?«, fragte Poirot mit einem Zwinkern. »Na, Sie werden doch nicht annehmen – Sie können nicht…«
»Sie verlieren immer mehr das Gefühl für die Zusammenhänge, Hastings. Selbst wenn Ridgeway der Dieb gewesen wäre – was durchaus im Bereich der Möglichkeit lag –, wäre das eine hübsche Sache gewesen; ein Stück sauberer, methodischer Arbeit.«
»Weniger hübsch für Miss Farquhar!«
»Damit haben Sie wahrscheinlich Recht. Nun, jetzt ist ja alles gut. Kommen Sie,
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