Poirot Rechnet ab
auch gestellt. Ich wage zu prophezeien, dass die Aufklärung, wenn sie uns je gelingen sollte, mit dieser merkwürdigen Tatsache zusammenhängt. Bitte erschlagen Sie mich nicht, wenn ich noch eine weitere Frage an Sie richte: Sind Sie absolut sicher, dass Sie den Koffer abgeschlossen hatten?«
Philip Ridgeway sah ihn nur an, und Poirot machte eine entschuldigende Geste. »Oh, so was kann passieren, glauben Sie mir. Nun gut, die Staatsanleihen wurden aus dem Koffer gestohlen. Und was tat der Dieb anschließend? Wie hat er es fertig gebracht, mit seiner Beute an Land zu kommen?«
»Das ist es ja gerade!«, rief Ridgeway. »Wie hat er es angestellt? Die Zollbehörden waren unterrichtet. Jeder einzelne Mensch, der das Schiff verließ, wurde genauestens kontrolliert.«
»Und wenn ich richtig verstanden habe, waren die Aktien ein ganz hübsches, dickes Paket?«
»Natürlich. An Bord konnte das Paket überhaupt nicht versteckt werden – und das war anscheinend auch nicht der Fall, weil die Aktien eine halbe Stunde nach Ankunft der Olympia schon zum Verkauf angeboten wurden, lange bevor ich telegrafieren konnte und mir die Nummern übermittelt wurden. Einer der Makler schwört sogar, dass er mehrere Papiere gekauft hat, noch bevor die Olympia eingelaufen war. Aber man kann Aktien schließlich nicht drahtlos schicken…«
»Nein, das kann man nicht. Aber kann nicht irgendein Schnellboot auf offener See das Paket übernommen haben?«
»Wir kamen nur mit den offiziellen Booten der Behörden in Berührung, und das war nach dem Alarm, als das Schiff schon unter strenger Kontrolle stand. Ich habe auch sofort denselben Gedanken gehabt und genau aufgepasst. Mein Gott, Mr Poirot, diese Sache macht mich noch ganz wahnsinnig! Jetzt behauptet man schon, ich selbst hätte die Aktien gestohlen.«
»Aber Sie wurden doch genau untersucht, als Sie an Land wollten, nicht wahr?«, fragte Poirot freundlich.
»Ja.«
Der junge Mann starrte ihn verwirrt an.
»Sie verstehen anscheinend nicht ganz, was ich meine«, sagte Poirot und lächelte rätselhaft. »Ich würde jetzt gern zur Bank gehen und einige Auskünfte holen.«
Ridgeway holte eine Karte aus der Tasche und kritzelte ein paar Worte darauf.
»Geben Sie die Karte dort ab, und mein Onkel wird Sie sofort empfangen.«
Poirot dankte ihm und verabschiedete sich von Miss Farquhar. Wir fuhren zusammen in die Threadneedle Street, zum Hauptgebäude der London and Scottish Bank. Nach Vorzeigen von Ridgeways Karte wurden wir, vorbei an Einzahlungs- und Auszahlungsschaltern, in ein kleines Büro im ersten Stock geführt. Dort empfingen uns die beiden Generaldirektoren. Es waren zwei würdige Herren, die im Dienste der Bank ergraut waren. Mr Vavasour trug einen kurzen weißen Bart. Mr Shaw war glatt rasiert.
»Sind Sie Privatdetektive?«, fragte Mr Vavasour. »Wir haben den Fall natürlich Scotland Yard übergeben. Inspektor McNeil hat den Fall übernommen. Ein sehr fähiger Mann, glaube ich.«
»Dessen bin ich sicher«, sagte Poirot höflich. »Würden Sie mir einige Fragen, die Ihren Neffen betreffen, gestatten? Außerdem würde ich gerne wissen, wer das Schloss bei Hubbs bestellt hat.«
»Ich selbst«, sagte Shaw. »Ich wollte diese Sache keinem Angestellten anvertrauen. Und was die Schlüssel betrifft, Mr Ridgeway hat einen, Mr Vavasour und ich.«
»Und kein Angestellter hatte Zugang zu den Schlüsseln?«
Mr Shaw drehte sich fragend zu Mr Vavasour um.
»Ich glaube, ich kann fest behaupten, dass sie im Safe geblieben sind, wo wir sie am Dreiundzwanzigsten deponiert hatten«, sagte Mr Vavasour. »Mein Kollege wurde unglücklicherweise vor vierzehn Tagen krank – gerade an dem Tag, an dem Philip die Reise angetreten hatte. Er ist erst jetzt wieder gesund geworden.«
»Schwere Bronchitis ist für einen Mann in meinem Alter kein Vergnügen«, sagte Mr Shaw kläglich. »Ich fürchte, für Mr Vavasour war die viele Arbeit, die sich durch meine Abwesenheit angehäuft hatte, kein Vergnügen. Und dann kamen auch noch diese unerwarteten Sorgen dazu.«
Poirot stellte noch ein paar Fragen. Ich vermutete, er wollte feststellen, wie das Verhältnis zwischen Onkel und Neffe war. Mr Vavasours Antworten waren kurz und exakt. Sein Neffe sei ein vertrauenswürdiger Angestellter der Bank und ein gewissenhafter Mensch. Von irgendwelchen Schulden oder Geldschwierigkeiten sei ihm nichts bekannt. Man habe ihn schon öfter mit ähnlichen Missionen betraut. Schließlich wurden wir höflich
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