Poirots erste Fälle
an. Dann platzte sie he r aus:
»Ja, haben Sie es denn noch nicht gehört? Sie ist doch tot. Starb heute Abend – ungefähr vor einer halben Stu n de.«
Wir waren zunächst sprachlos. Schließlich fragte ich:
»Woran ist sie denn gestorben?«
»Da sind welche, die das sagen könnten.« Sie warf einen hastigen Blick über die Schulter. »Wenn nicht jemand bei der Gnädigen ble i ben müsste, würde ich meinen Koffer packen und heute Abend noch gehen. Aber ich kann sie doch nicht allein lassen, wo sie doch tot daliegt und ni e mand bei ihr wacht. Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, und ich sage ja auch nichts – aber jeder weiß Bescheid. Es ist in der ganzen Stadt rum. Und wenn Mr Radnor nicht an den Minister schreibt, dann tut’s jemand anders. Der Doktor kann reden, was er will. Habe ich nicht mit eig e nen Augen gesehen, wie der gnädige Herr heute Abend die Fl a sche mit dem Unkrautgift vom Regal nahm? Und zuc k te er nicht zusammen, als er sich umdrehte und sah, dass ich ihn beobachtete? Und der Teller mit dem Hafe r schleim für die Gnädige direkt daneben. Fertig zum Rei n tragen. Ke i nen Happen kriege ich mehr runter in diesem Hause. Und wenn ich vor Hunger sterben sol l te!«
»Wo wohnt der Arzt, der Mrs Pengelley behandelt hat?«
»Dr. Adams. Gleich um die Ecke. High Street, das zwe i te Haus.«
Poirot wandte sich schnell ab. Er war sehr blass.
»Für ein Mädchen, das nichts sagen wollte, hat sie zie m lich viel g e sagt«, bemerkte ich trocken.
Poirot ballte die Fäuste.
»Ich Idiot, Hastings! Strafbar blöde bin ich gewesen! Herumgeprotzt habe ich mit meinen kleinen grauen Ze l len, und nun habe ich ein Menschenleben verloren, einen Menschen, der zu mir kam, um sich von mir re t ten zu lassen. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass so schnell etwas passieren würde. Möge Gott mir verzeihen, aber ich habe eigentlich nicht geglaubt, dass überhaupt etwas passieren würde. Ihre Geschichte erschien mir e t was gekünstelt. Na, da sind wir ja schon. Wollen mal h ö ren, was der Doktor zu sagen hat.«
Dr. Adams war der typische Landarzt, wie er im B u che steht. Er empfing uns höflich genug. Doch als wir den Zweck unseres Bes u ches andeuteten, nahm sein rotes Gesicht eine violette Tönung an.
»Verdammter Unsinn! Verdammter Unsinn! Das ga n ze Geschwätz. Habe ich nicht den Fall behandelt? Mage n entzündung war’s – weiter nichts! Diese Stadt ist ein r e gelrechtes Klatschnest. Ein paar alte Lästermä u ler stecken die Köpfe zusammen, und schon ist der Kladderadatsch da! Sie lesen dauernd diese Sensationsblätter, und schlie ß lich hilft alles nichts, sie müssen auch in ihrer eigenen Stadt einen Mord haben! Sie sehen eine Flasche mit U n krautgift auf dem Regal stehen – und hoppla – schon geht die Fantasie mit ihnen durch. Ich kenne E d ward Pengelley – der würde nicht einmal des Teufels Großmu t ter ve r giften. Und warum sollte er seine Frau töten? Können Sie mir das s a gen?«
»Eins ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, monsieur le do c teur .« Und Poirot schilderte in groben Umrissen Mrs Pe n gelleys Besuch bei uns. Niemand hätte e r staunter sein können als Dr. Adams. Die Augen tr a ten ihm förmlich aus dem Kopf.
»Du meine Güte!«, rief er aus. »Die arme Frau muss wohl wahnsi n nig gewesen sein. Warum hat sie nicht mit mir gesprochen? Das wäre doch richtiger gew e sen.«
»Um sich wegen ihrer Furcht auslachen zu lassen?«
»Durchaus nicht, durchaus nicht. Es kann wohl ni e mand von mir behaupten, dass ich voreingenommen sei.«
Poirot blickte ihn lächelnd an. Der Arzt war offenbar beunr u higter, als er zugeben wollte. Als wir das Haus verließen, brach Poirot in ein Gelächter aus.
»Der ist so störrisch wie ein Esel. Wenn er einmal g e sagt hat, es ist Magenentzündung, dann ist und bleibt es Magenentzündung, basta! Und doch haben wir seine Se e lenruhe etwas gestört.«
»Was machen wir nun?«
»Gehen zurück zum Hotel und verbringen eine Schr e ckensnacht in Ihren englischen Landbetten, mon ami. Ein Folterinstrument – das billige englische Bett!«
»Und morgen?«
»Rien à faire. Wir müssen nach London zurückfahren und die weit e re Entwicklung abwarten.«
»Das ist aber ziemlich fade«, sagte ich enttäuscht. »Und wenn keine weitere Entwicklung folgt?«
»Seien Sie unbesorgt. Unser alter Doktor kann so viele Tote n scheine ausstellen, wie er will. Er kann aber nicht mehrere hundert schnatter n de Zungen zum Schweigen bringen. Und
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