Poirots erste Fälle
gelley wurde verhaftet und beschuldigt, seine Frau ermordet zu haben.
Poirot und ich nahmen an der Vorverhandlung teil. Die Beweisführung entsprach ganz unseren Erwartu n gen. Dr. Adams gab zu, dass die Symptome einer A r senvergiftung leicht mit denen einer Magenen t zündung zu verwechseln seien. Es folgte die Aussage des vom Ministerium gesan d ten Experten. Das Dienstmädchen Jessie ließ einen Schwall von I n formationen los. Der größte Teil davon wurde zwar abgelehnt, aber der Rest belastete den G e fangenen doch sehr: Freda Stanton sagte aus, dass ihre Tante sich stets schlechter gefühlt habe, wenn sie Spe i sen aß, die von ihrem Manne zubereitet waren. Jacob Radnor schilderte, wie er am Tage des Mordes unerwartet hinz u gekommen sei, als Pengelley die Flasche mit dem U n krautgift wieder aufs Regal stellte, während Mrs Penge l leys Haferschleim auf einem Tisch da n ebenstand. Dann wurde Miss Marks, die semmelblonde Sprechstundenhi l fe, aufgerufen; sie weinte, wurde hysterisch, gab aber schließlich zu, dass sie ein Verhältnis mit ihrem Chef g e habt habe und dass er versprochen habe, sie zu heiraten, falls seiner Frau ei n mal etwas zustoßen sollte. Pengelley behielt sich die Verteid i gung vor, und der Fall wurde dem Schwurgericht überg e ben.
Jacob Radnor gesellte sich zu uns, als wir zu uns e rem Logis zurüc k gingen.
»Sie sehen, Mr Radnor«, sagte Poirot, »ich hatte Recht. Die Stimme des Volkes sprach – und ziemlich deutlich. Der Fall konnte nicht einfach vertuscht we r den.«
»Das ist wahr. Besteht denn aber keine Möglichkeit, e i nen Fre i spruch zu erlangen?«
»Er will ja seine Verteidigung selbst führen. Also mag er etwas in petto haben. Kommen Sie doch einen M o ment mit herein.«
Radnor nahm die Einladung an. Ich bestellte zwei Whisky mit Soda und eine Tasse Schokolade für Po i rot. Die letztere Bestellung verursachte einige Bestü r zung, und ich zweifelte sehr daran, dass sie sich je materialisi e ren würde.
»Ich habe natürlich beträchtliche Erfahrung in so l chen Sachen«, fuhr Poirot fort. »Und ich sehe nur eine Mö g lichkeit für ihn, dem Henker zu entrinnen.«
»Und die wäre?«
»Sie müssten dieses Schriftstück unterzeichnen!«
Mit der Geschwindigkeit eines Jongleurs produzierte Poirot ein b e schriebenes Stück Papier.
»Was ist das?«
»Ein Geständnis, dass Sie Mrs Pengelley ermordet h a ben.«
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann lachte Ra d nor.
»Sie sind wohl verrückt!«
»Nein, nein, mein Freund, ich bin nicht verrückt. Sie kamen in diese Stadt, fingen ein kleines Geschäft an, ha t ten aber nicht viel Geld. Mr Pengelley ist ein wohlhabe n der Mann. Sie lernten seine Nichte ke n nen, die Ihnen nicht abgeneigt war. Aber die kleine Mitgift, die ihr Pe n gelley bei ihrer Heirat gegeben hätte, reichte Ihnen nicht. Sie mussten den Onkel und die Tante be i seiteschaffen. Dann würde die Nichte als einzige Ve r wandte das ganze Geld bekommen. Wie schlau sind Sie dann zu Werke gegangen! Sie machten der una n sehnlichen, alternden Frau den Hof, bis sie Ihr Sklave war. Dann erweckten Sie in ihr Misstrauen gegen ihren Mann. Zuerst entdeckte sie, dass er sie betrog, dann – dafür sor g ten Sie –, dass er versuchte, sie zu vergiften. Sie waren oft im Ha u se; Sie hatten genug Gelegenheit, das Arsen ins Essen zu schmuggeln. Aber Sie waren vorsichtig und taten es ni e mals, wenn ihr Mann fort war. Da sie eine Frau war, b e hielt sie ihren Ve r dacht nicht für sich. Sie redete mit ihrer Nichte und wahrscheinlich auch mit Freundinnen da r über. Ihre einzige Schwierigkeit, Radnor, bestand darin, getrennte Beziehungen zu beiden Frauen zu unterha l ten. Selbst das war nicht so schwer, wie es aussah. Der Tante erklä r ten Sie, Sie müssten so tun, als ob Sie der Nichte den Hof machten, damit ihr Mann keinen Verdacht schöpfe. Und die jüngere Dame brauchte keine überze u genden Argumente – sie hätte ihre Tante nie im Ernst als Riv a lin betrachtet.
Dann aber entschloss sich Mrs Pengelley, mich zu ko n sultieren. Wenn sie wirklich ohne jeden Zweifel sicher sein konnte, dass ihr Mann versuchte, sie zu vergiften, dann fühlte sie sich gerechtfertigt, ihn zu ve r lassen und das Leben mit Ihnen aufzunehmen, denn sie bi l dete sich ein, dass das auch Ihr Wunsch sei. Aber das passte Ihnen ganz und gar nicht in den Kram. Sie wollten keinen ne u gierigen D e tektiv um sich herum haben. Es bietet sich ein günstiger Augenblick. Sie sind anwesend, als
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