Poirots erste Fälle
stimmen alle überein?« Er sah uns nac h einander an. Sein Gesicht wurde ziemlich blass und seine Augen w a ren grün wie die einer Katze. »Und doch haben Sie sich geirrt, alle! Ihre Augen h a ben Sie belogen, genauso belogen wie auf dem Si e gesball. Die Dinge ›mit eigenen Augen zu sehen‹, wie es so schön heißt, bedeutet nicht immer, die Wahrheit zu sehen. Man muss mit den A u gen des Verstandes sehen, muss seine kleinen grauen Zellen arbeiten lassen. Ich will damit s a gen, dass Sie heute Abend und auf dem Ball nicht sechs, sondern nur fünf Fig u ren gesehen haben. Passen Sie auf!«
Die Lichter gingen wieder aus. Eine Gestalt hüpfte vor die Leinwand – Pierrot?
»Wer ist das?«, fragte Poirot. »Ist das der Pierrot?«
»Ja!«, riefen wir.
»Sehen Sie noch einmal hin!«
Mit einer schnellen Bewegung entledigte sich der Mann seines weiten Pierrotgewandes. Vor uns im Scheinwerfe r licht stand der glitzernde Harlekin. Im se l ben Augenblick hörten wir einen Schrei, und ein Stuhl fiel um.
»Verflucht sollen Sie sein!«, rief Davidson voll Hass. »Verflucht sollen Sie sein! Wie haben Sie das err a ten?«
Dann klickten Handschellen und Japps ruhige Sti m me wurde hörbar: »Ich verhafte Sie, Christopher D a vidson, unter dem dringenden Verdacht, Lord Cronshaw ermo r det zu haben. Alles, was Sie von jetzt an sagen, kann g e gen Sie verwendet werden.«
Es war eine Viertelstunde später. Ein köstliches kle i nes Aben d essen war aufgetragen worden. Über das ganze Gesicht strahlend, spielte Poirot den Gastgeber und b e antwortete unsere eifrigen Fragen.
»Es war alles sehr einfach. Die Umstände, unter d e nen der grüne Pompon gefunden wurde, ließen nur den Schluss zu, dass er vom Kostüm des Mörders a b gerissen worden war. Pierrette war für mich von vornherein u n verdächtig, da man ziemlich viel Kraft braucht, jema n dem ein Tischmesser ins Herz zu stoßen. Ich konzen t rierte mich auf Pierrot als möglichen Täter. Aber Pierrot ha t te den Ball fast zwei Stunden vor dem Mord verlassen. Also musste er entweder noch ei n mal zurückgekommen sein, um Lord Cronshaw zu töten, oder – eh bien, er mus s te ihn getötet haben, bevor er den Ball verließ. War das unmöglich? Wer hatte Lord Cronshaw an diesem Abend nach dem E s sen noch gesehen? Nur Mrs Davidson. Aber ihre Au s sage war, wie ich vermutete, reine Erfindung, weil sie eine Erklärung für den Pompon finden mus s te, den sie natürlich von ihrem Kostüm abgeschnitten hatte, als Ersatz für den, der am Kostüm ihres Mannes fehlte. Dann musste aber der Harlekin, der um halb zwei in der Loge gesehen worden war, jemand anders gew e sen sein. Am Anfang glaubte ich kurze Zeit, Mr Beltane sei der Schuldige. Da er aber ein so kniffliges Ko s tüm trug, wäre es ihm ganz offensichtlich unmöglich gewesen, die Do p pelrolle des Pulcinello und des Harlekins zu spielen. Für Davi d son, einen jungen Mann von der ungefähren Größe des Opfers und noch dazu Scha u spieler, war die Sache andererseits denkbar einfach.
Nur eines verwirrte mich. Ein Arzt musste doch erke n nen, ob ein Mensch seit zwei Stunden oder erst seit zehn Minuten tot war. Eh bien! Der Arzt erkannte es natürlich. Aber man brachte ihn nicht zu der Leiche und fragte ihn: ›Wie lange ist dieser Mann schon tot?‹
Im Gegenteil, man teilte ihm mit, der Mann sei vor u n gefähr zehn Minuten noch lebend gesehen worden. D a her sprach der Arzt bei der gerichtlichen Vorunters u chung auch nur von einer ungewöhnlichen Steifheit der Glieder, die er sich nicht erklären könne.
Alles fügte sich jetzt großartig in meine Theorie. Davi d son hatte Lord Cronshaw unmittelbar nach dem Aben d essen getötet. Wie Sie sich bestimmt erinnern, wurde er gesehen, als er Lord Cronshaw in das Nebenzimmer z u rückzog. Dann fuhr er mit Miss Court e nay nachhause, verließ sie vor ihrer Wohnungstür (anstatt mit ihr hinei n zug e hen und sie zu beruhigen, wie er behauptete) und kehrte auf schnell s tem Weg in die ›Colossus Hall‹ zurück. Diesmal jedoch als Harlekin und nicht als Pierrot, eine Verwan d lung, die leicht zu bewerkstelligen war, da er nur das Kostüm auszuziehen brauchte, das er über dem and e ren trug.«
Mit einem Ausdruck der Verwirrung in den Augen beugte der Onkel des Ermordeten sich vor.
»Aber dann muss er ja mit dem fertigen Mordplan zum Ball gekommen sein. Was für ein Motiv soll er denn g e habt haben? Ich b e greife nicht, was sein Motiv war.«
»Dazu müssen wir auf die
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