Poirots erste Fälle
zweite Tragödie zu spr e chen kommen – auf den Tod von Miss Courtenay. Es gab e i nen ganz einfachen Punkt, den alle übersehen haben. Miss Courtenay starb an einer Überdosis K o kain, aber ihr Vorrat war in dem Emaildöschen, das man bei Lord Cronshaws Leiche fand. Woher hatte sie dann die tödl i che Dosis? Nur eine einzige Person konnte sie damit ve r sorgt haben – Davidson. Und das erklärt alles. Es erklärt Miss Court e nays Freundschaft mit den Davidsons und ihre Bitte, Davidson solle sie nachhause bringen. Lord Cronshaw, ein geradezu fanat i scher Gegner aller Rauschmittel, hatte entdeckt, dass sie kokainsüchtig war, und vermutete, dass Davidson sie mit dem Stoff versor g te. Zweifellos stritt Davidson das ab, doch Lord Cron s haw war fest entschlossen, auf dem Ball von Miss Cou r tenay die Wahrheit zu erfahren. Er hätte zwar der u n glücklichen Frau verzeihen können, doch ganz bestimmt hätte er dem Mann gege n über, der vom Drogenhandel lebte, keine Gnade walten lassen. Entlarvung und den sich e ren Ruin vor Augen, ging Davidson mit dem festen Vo r satz auf den Ball, Cronshaw um jeden Preis zum Schweigen zu bri n gen.«
»War Cocos Tod wirklich kein Unfall?«
»Ein von Davidson klug und geschickt gesteuerter U n fall, vermute ich. Miss Courtenay war furchtbar w ü tend auf Cronshaw, erstens wegen seiner Vorwürfe und zwe i tens, weil er ihr das Kokaindöschen wegg e nommen hatte. Davidson versorgte sie mit einem ne u en Vorrat und schlug ihr wahrscheinlich vor, die Dosis, dem alten Cronch zum Trotz, zu erhöhen.«
»Noch etwas«, sagte ich. »Die Nische mit dem Vo r hang. Woher wussten Sie, dass es sie gab?«
»Nun, mon ami, das war wohl das leichteste von a l lem. Kellner waren in dem kleinen Zimmer ein und aus gega n gen, also konnte die Leiche nicht dort auf dem Boden gelegen haben, wo sie gefu n den wurde. Es musste daher in diesem Raum etwas geben, wo man sie verstecken konnte. Ich schloss auf eine durch einen Vorhang ve r deckte Nische. Davidson zerrte die Leiche hinein und später, nachdem er in der Loge die Aufmerksamkeit auf sich g e lenkt hatte, holte er sie wieder heraus, bevor er die ›Colossus Hall‹ endgültig verließ. Das war einer seiner besten Schachzüge. Er ist ein kluger Kopf.«
Aber in Poirots grünen Augen las ich ganz deutlich die unausg e sprochenen Worte: »Nur nicht ganz so klug wie Hercule Poirot.«
Köchin gesucht
A ls ich mit meinem Freund Hercule Poirot eine Wo h nung teilte, pflegte ich ihm die Schlagzeilen des Morgenblattes Tages-Echo vo r zulesen.
Das Tages-Echo war ein Blatt, das jede Sensation nach a l len Ric h tungen ausschlachtete. Raub und Mord lauerten nicht ve r borgen auf den letzten Seiten. Nein, gleich auf der ersten Seite sprangen sie in Riesenle t tern dem Leser ins Auge.
BANKBEAMTER MIT EFFEKTEN IM WERTE VON
FÜNFZIGTAUSEND PFUND DURCHGEBRANNT.
EHEMANN STECKT KOPF IN GASOFEN.
UNGLÜCKLICHES FAMILIENLEBEN.
STENOTYPISTIN VERSCHWUNDEN. HÜBSCHES
MÄDCHEN. 21 JAHRE ALT. WO IST EDNA FIELD?
»Da hätten wir ja eine ziemliche Kollektion, Poirot. Ein flüchtiger Bankbeamter, ein mysteriöser Selbs t mord, ein verschwundenes Tip p fräulein – greifen Sie hinein ins volle Menschenleben!«
Mein Freund war in lässiger Stimmung und schüttelte ruhig den Kopf.
»Nichts dabei, was mich besonders reizte, mon ami. He u te bin ich für einen geruhsamen Lebenswandel. Es müs s te schon ein sehr int e ressantes Problem sein, das mich aus meinem Sessel locken könnte. Ich habe nämlich wichtige persönliche Angelegenheiten zu erl e digen.«
»Und die wären?«
»Meine Garderobe, Hastings. Wenn ich nicht irre, ist auf meinem neuen grauen Anzug ein Fettfleck – zwar nur einer, aber er ärgert mich zur Genüge. Dann mein Wi n termantel – den muss ich unbedingt einmotten. Und ich glaube – ja, ich glaube –, mein Schnurrbart ist zum Schneiden reif, und nachher muss ich mir Pom a de aufs Haar schmieren.«
»Ein richtiges Programm!«, sagte ich und schlenderte zum Fen s ter. »Aber ich möchte bezweifeln, ob Sie es durchführen können. Es klingelt nämlich gerade. Sie h a ben einen Klienten.«
»Nur eine Angelegenheit von nationaler Wichtigkeit kommt he u te für mich in Betracht«, erklärte Poirot mit Würde.
Im nächsten Augenblick stürmte in unsere stille Häu s lichkeit eine korpulente Dame mit krebsrotem Gesicht, die so schnell die Treppe hinaufgeeilt war, dass sie hörbar keuchte.
»Sie sind Monsieur Poirot?«, fragte sie
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