Poirots erste Fälle
ausgesagt?«
»Ja.«
»Hat er keine ungewöhnlichen Symptome erwähnt – ist ihm an der Leiche nichts aufgefallen?«
Japp sah den kleinen Mann scharf an.
»Ja, Monsieur Poirot. Ich weiß nicht, worauf Sie hi n auswollen, aber er sagte, Arme und Beine seien ve r spannt und steif gewesen und er könne sich beides nicht erkl ä ren.«
»Aha!«, rief Poirot. »Aha! Mon Dieu! Das gibt einem zu denken, nicht wahr, Japp?«
Ich sah, dass es Japp bestimmt nicht zu denken gab.
»Wenn Sie glauben, es sei Gift gewesen… Wer in a l ler Welt würde einen Mann zuerst vergiften und ihm dann ein Messer ins Herz st o ßen?«
»Das wäre wirklich lächerlich«, entgegnete Poirot gela s sen.
»Möchten Sie es sich ansehen, Monsieur Poirot? Wenn Sie das Zimmer untersuchen wollen, in dem die Leiche gefunden wu r de…«
Poirot winkte ab.
»Das ist wirklich nicht nötig. Sie haben mir gesagt, was mich als Einziges interessiert – Lord Cronshaws Meinung über Rausc h gift.«
»Und Sie wollen sich nichts ansehen?«
»Doch, etwas schon.«
»Und was ist das?«
»Die Porzellanfiguren, nach denen man die Kostüme kopiert hat.«
Japp starrte ihn entgeistert an.
»Na, Sie sind wirklich komisch!«
»Können Sie alles Nähere veranlassen?«
»Sie können sofort zum Berkeley Square fahren, wenn Sie Lust haben. Mr Beltane – oder Seine Lor d schaft, wie ich jetzt wohl s a gen sollte, hat bestimmt nichts dagegen.«
Wir ließen ein Taxi kommen und fuhren los. Der neue Lord Cronshaw war nicht zuhause, aber als Japp da r um bat, führte man uns in das Porzellanzimmer, wo die schönsten Stücke der Sammlung aufbewahrt wurden. Japp sah sich etwas hilflos um.
»Ich begreife nicht, wie Sie hier die Figuren finden wo l len, die Sie suchen, Monsieur Poirot«, sagte er.
Aber Poirot hatte schon einen Stuhl an den offenen Kamin gezogen und hüpfte, flink wie ein Kobold, hi n auf. Auf einem Regal über dem Spiegel standen sechs Figü r chen. Poirot untersuchte sie sehr genau und machte dabei ein paar Bemerkungen in unserer Ric h tung.
»Les voilà! Die italienische Komödie. Drei Paare! Harl e kin und C o lombina, Pierrot und Pierrette – sehr elegant in Weiß und Grün – und Pulcinello – und Pu l cinella in Lila und Gelb. Sehr kunstvoll, das Ko s tüm des Pulcinello – Rüschen und Volants, ein Buckel, ein hoher Hut. Ja, ganz wie ich es mir gedacht habe. Sehr kunstvoll gearbe i tet.« Er stellte die Figuren vorsichtig wieder z u rück und sprang vom Stuhl.
Japp zog ein zweifelndes Gesicht, aber da Poirot offe n sichtlich nicht die Absicht hatte, etwas zu verraten, mac h te der Inspektor gute Miene zum bösen Spiel. Als wir eben gehen wollten, trat der Hausherr ein, und Japp stel l te uns vor.
Der sechste Viscount Cronshaw war ungefähr fün f zig, höflich und glatt, mit einem hübschen, verlebten Gesicht. Allem Anschein nach ein alter Wüstling mit dem gelan g weilten Gehabe eines Wichtigtuers. Ich fand ihn sofort unsympathisch. Er begrüßte uns ziemlich freundlich, sa g te, er habe schon viel von Poirot gehört, und erklärte, er stehe uns jederzeit zur Verf ü gung.
»Die Polizei tut alles, was sie kann, das weiß ich«, sagte er. »Aber ich fürchte, dass das Geheimnis um den Tod meines Neffen nie aufg e klärt werden wird. Die ganze Sache kommt mir höchst rätselhaft vor.«
Poirot beobachtete ihn genau. »Und Ihr Neffe hatte I h res Wissens keine Feinde?«
»Überhaupt keine, davon bin ich überzeugt.« Er unte r brach sich kurz und fuhr dann fort: »Wenn Sie mir Fr a gen stellen möc h ten…«
»Nur eine.« Poirots Stimme klang ernst. »Die Kost ü me – waren es genaue Kopien der Kostüme Ihrer Porzella n figuren?«
»Bis in die kleinste Einzelheit.«
»Besten Dank, Milord. Das wollte ich nur wissen. Ich wünsche I h nen einen guten Tag.«
»Und was nun?«, fragte der Inspektor Japp, während wir die Straße entlangeilten. »Ich muss mich im Yard melden, wissen Sie.«
»Bien, ich will Sie nicht aufhalten. Ich habe nur noch e i ne Kleini g keit zu erledigen, dann…«
»Ja?«
»Habe ich den Fall gelöst.«
»Was? Das ist nicht Ihr Ernst! Sie wissen, wer Lord Cronshaw e r mordete?«
»Parfaitement.«
»Wer war es? Eustace Beltane?«
»Aber, mon ami, Sie kennen doch meine kleinen Schw ä chen. Ich habe immer den Wunsch, die Fäden bis zur letzten Minute in der Hand zu behalten. Nur keine Angst, Sie werden alles rechtzeitig erfahren. Ich will keine Ane r kennung – der Fall gehört Ihnen. Unter einer
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