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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Schmuck, halb Reparatur. »Was denn, Bukowski ist hinter Sina her? Die macht ihm ‘nen Knoten in den Schwanz und fragt ihn, ob er Brezeln mag. Tut er ja vielleicht sogar.«
    Arkadi sah zu Obidin hinüber, gefaßt darauf, mit einem Urteil aus dem Alten Testament belehrt zu werden.
    »Eine Hure.« Obidin musterte die Einmachgläser, die unten im Schrank aufgereiht waren, mit verkorkten Gummikanülen in den durchbohrten Deckeln. Er schraubte eines auf, und der süßliche Geruch gärender Rosinen erfüllte den Raum. Dann nahm er ein Glas mit Kartoffeln in die Hand.
    »Ist das Zeug gefährlich?« Guris Frage richtete sich an Kolja.
    »Du bist hier der Wissenschaftler. Diese Dämpfe, ich meine, kann da was explodieren? Gibt es eigentlich irgendein Gemüse oder Obst, aus dem der Kerl keinen Alkohol machen kann? Erinnert ihr euch noch an die Bananen?«
    Arkadi erinnerte sich nur zu gut. Der Schrank hatte gestunken wie ein modernder Tropenwald.
    »Mit Hefe und Zucker kann man fast alles zur Gärung bringen«, erwiderte Kolja.
    »Frauen gehören nicht auf ein Schiff«, sagte Obidin. An einem Nagel an der Rückwand des Schrankes hing eine kleine Ikone des heiligen Wladimir. Obidin legte Daumen und zwei Finger zusammen und berührte damit nacheinander Stirn, Brust, rechte und linke Schulter und schließlich das Herz. Dann hängte er ein Hemd über den Nagel. »Ich bete für unsere Erlösung.«
    Neugierig sah Arkadi ihn an. »Erlösung - von wem denn?«
    »Baptisten, Juden, Freimaurer.«
    »Vorstellen kann man sich das allerdings kaum«, überlegte Guri laut, »Bukowski und Sina, meine ich.«
    »Ihr Badeanzug, der hat mir imponiert«, sagte Kolja. »Wißt ihr noch, an dem Tag vor Sachalin?« Ein Wärmestrudel war vom Äquator nordwärts gewandert und hatte ihnen für ein paar trügerische Stunden Sommer vorgegaukelt. »Dieser Badeanzug mit den dünnen Trägern?«
    »Ein aufrechter Mann verdeckt sein Gesicht mit einem Bart.«
    Obidin nickte Arkadi zu. »Eine sittsame Frau stellt sich nicht zur Schau.«
    »Jetzt ist sie sittsam«, sagte Arkadi. »Sie ist tot.«
    »Sina?« Guri stand auf, war jetzt auf Augenhöhe mit Arkadi und nahm die dunkle Brille ab.
    »Tot?« Kolja wandte den Blick ab.
    Obidin bekreuzigte sich abermals.
    Arkadi hatte den Eindruck, daß jeder der drei vermutlich mehr über Sina Patiaschwili wußte als er. Ihm war vor allem jener ungewöhnliche Tag vor Sachalin noch im Gedächtnis, als sie in ihrem Badeanzug übers Volleyball-Deck paradiert war und sich hatte bewundern lassen. Die Russen waren ausgesprochene Sonnenanbeter. Und so hatte an dem bewußten Tag jeder auf dem Schiff nur das allernotwendigste bißchen Stoff am Leibe getragen, um soviel wie möglich von der blassen Haut der Sonne auszusetzen. Aber Sina hatte mehr zu bieten als nur einen knappen Badeanzug. Sie hatte einen Körper wie die Frauen aus dem Westen, schlank und sinnlich. Auf dem Tisch eben war sie dagegen nur mehr ein Wrack gewesen; wie ein feuchter Lumpen hatte sie dagelegen, keine Spur mehr von der Sina, die damals an der Reling auf und ab spaziert war und am Schandeck posiert hatte, vor den Augen eine Sonnenbrille, so undurchdringlich wie eine Maske.
    »Sie ist über Bord gegangen. Aber ein Netz hat sie wieder raufgebracht.«
    Die drei anderen starrten ihn nur an. Endlich brach Guri das Schweigen. »Und warum hat Bukowski dich geholt?«
    Arkadi wußte nicht, wie er das erklären sollte. Jeder dieser Männer hatte seine Vergangenheit. Guri war immer ein Geschäftsmann gewesen, der teils legale, teils illegale Geschäfte machte, je nachdem. Kolja hatte man vom Studium fort ins Arbeitslager geschickt, und Obidin bewegte sich im Zickzackkurs zwischen Ausnüchterungszelle und Beichtstuhl. Seit er Moskau verlassen hatte, war Arkadi ständig mit Leuten ihresgleichen zusammen gewesen; nichts erweiterte Umgang und Horizont so wie das Exil im eigenen Land. Moskau war ein eintöniger Haufen von Apparatschiks im Vergleich zur Vielschichtigkeit Sibiriens. Trotzdem war er erleichtert, als es jetzt barsch an die Tür klopfte und Slawa Bukowski den Kopf hereinsteckte, auch wenn der Dritte Maat mit einer spöttischen Verbeugung eintrat und ihn in höhnischem Ton anredete. »Genosse Kommissar, der Kapitän möchte Sie sprechen.«
    Viktor Sergejwitsch Martschuk brauchte weder Uniform noch goldene Tressen, um sich als Kapitän kenntlich zu machen. Arkadi hatte sein Gesicht zum erstenmal vor dem Marineinstitut in Wladiwostok unter den gewaltigen Porträts der

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