Polarfieber (German Edition)
was ihm bevorstand, als einen Pr o zess Greve gegen Air Greenland zu betrachten. Er wollte nicht, da s s zwischen ihm und seinem Arbeitgeber geklagt wurde. Er wollte seine Flügel wiederhaben. „ Ich denke nicht, dass ich einen Anwalt bra u che . Ich kenne meine Rechte und habe meine Pflichten immer erns t genommen. Ich gehe davon aus, dass die Fluggesellschaft das ähnlich sieht. “
„ Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Silas. Nach allem, was ich über Sie erfahren habe, sind S ie da oben am Himmel einer der Besten. Früher im aktiven Dienst und auch heute noch. Es wäre schade, wenn dieses Land Sie verlieren wü r de. “
„ Ich habe Menschen getötet. “
„ Als Soldat. “
„ Und damit ist das alles abgegolten? “
„ Lassen Sie es ruhen, Silas. Blicken Sie nicht mehr z u rück. Was Sie getan haben, können Sie nicht ändern. Ihre Zukunft haben Sie allein in der Hand. “
Noch einmal schluckte Silas schwer. Nein, nicht er allein. Aber ehe er sein Leben nicht selbst auf die Reihe zu bringen in der Lage war, durfte er die Frau, die bei Tag und Nacht durch seine Gedanken kreiste, nicht damit belasten. Er wollte sie nicht ze r brechen. Sie war zu kostbar.
Als Gade und Marie gegangen waren, schloss er die Augen. Kaya. Sicher war sie inzwischen zurück in Qaanaaq. War sie für eine Weile bei Marc und Nive geblieben oder sofort in das kleine, gelb gestr i chene Häuschen in der Seitenstraße unweit ihres Labors zurückg e kehrt? Er war nur einmal dort gewesen, trotzdem hatte er ihn vor sich , einen von vielen bunten Würfeln am Hang mit Blick auf den gefrorenen Fjord. Die deprimierende D e cke aus Schwärze, die ab Mitte Februar für einige Stunden um die Mittagszeit von der einzi g artigen silbergrauen Dämmerung abgelöst wurde. Der atembera u bende Moment, wenn die Sonne zum ersten Mal im neuen Jahr wi e der den Blick über den Horizont schaffte, wenn auch nur für wenige Minuten, und einen Teppich aus Orange und dann Pink über das Land zog.
Er sehnte sich nach ihr. Nach Qaanaaq. Nach einem Leben in der trockenen, frostigen Luft, die selbst im Sommer Mühe hatte, Temp e raturen oberhalb des Gefrierpunktes zu erreichen. Er hatte nicht geglaubt, dass er noch einmal davon träumen wü r de, mit jemandem neu anzufangen und glücklich werden zu dü r fen. Und das in einer Gegend, die ihm bisher als so tot erschienen war, wie er sich inne r lich fühlen wollte. Und nur einen Atemzug später diesen Traum wieder verlieren zu müssen, weil das alles zu kos t bar war, um mit seiner Vergangenheit darauf einzuschlagen und es zu zerbrechen.
Die Abgeordneten des britischen Militärs sah er nicht noch einmal.
*
Fakten sammeln, Daten auswerten, Schlüsse ziehen. Immer der gle i che Ablauf. Jahr für Jahr. Tag für Tag. Kaya war nicht zu einer der besten Wissenschaftlerinnen geworden, die Grönland aus dem Eis geschnitzt hatte, hätte sie diese Abfolge von Aktionen und Reakti o nen nicht bis unter die Haut verinnerlicht. Marc beobac h tete sie noch immer . Durchdringend. Abwartend.
„ Ich möchte jetzt wirklich zu Bett gehen, Marc. “
Weder er noch Nive hielten sie auf, als sie sich abwandte und sich in das Kinderzimmer von Kevin zurückzog. Der jüngste Spross der Familie war kurzerhand ins Zimmer seiner Schwester einquartiert worden, um Kaya Platz zu machen. Beinah stolperte sie über einen Spielzeughubschrauber auf Rollen. Einen von di e sen Dingern, die normalerweise rot waren und die Form eines Autos hatten und auf die Kinder sich setzen konnten, um dann bei Seifenkistenrennen die Kappen ihrer Schuhe zu ruinieren. Nicht so Kevin. Kevin hatte ke i nen roten Flitzer. Kevin hatte einen olivgrünen Hubschrauber. Kaya schloss für einen Moment die Augen und versuchte, sich zu ko n zentrieren.
Fakten sammeln. Was wusste sie über Silas? Kronzeuge in e i nem Kriegsverbrecherprozess. Angeklagt wegen Verbrechen g e gen die Menschlichkeit. Fünf Jahre Kriegsdienst. Ich will, dass du lebst, Kaya. Sie ließ sich aufs Bett fallen und igelte sich zu einem Ball. N e benan stritten die Kinder. Gegenstände knallten zu B o den, dann das ohrenbetäubende Kreischen eines kleinen Mädchens. Norm a lität. Das war Leben. Streiten, lieben, versöhnen , f üreinander da sein. Silas war für sie da gewesen. Andere hatte er getötet. Marc hatte r echt. Sie konnte jetzt keine Entscheidung treffen. Nicht bevor sie geschl a fen hatte. Nicht bevor sie nicht alle Fakten hatte. Nicht, bevor …
Es
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