Polarfieber (German Edition)
klopfte. Kaya sah nicht auf, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, wurde die Tür geöffnet. Nive. Sie hörte es an dem leic h ten Schritt, fühlte es an der kraftvollen und doch sensi b len Aura. Beinah hätte sie gelacht. Marc hatte die Bombe platzen lassen und jetzt schickte er die Infanterie. Sie zuckte innerlich zusammen. Kein guter Vergleich, gar kein guter Vergleich.
„ Ich hab e dir deinen Rucksack gebracht. “ Nive stellte die T a sche neben das Bett mit der ‚ Bob , der Baumeister-Bettwäsche ‘ und setzte sich auf die Bettkante. „ Weißt du, du musst mich nicht ansehen . Ich kann auch so sagen, was ich dir zu sagen habe. “
„ Marc hat schon genug gesagt. “
„ Hat er das? “ Nives Lächeln ließ ihre Worte warm klingen. „ Oh, aber ich bin sicher, dass er dir das, was ich dir erzählen wol l te, nicht erzählt hat. “
„ Nive … “
„ Nein, warte. Lass mich ausreden. “ Nive strich Kaya das wirre Haar glatt. Es war eine seltsame Geste für eine Frau, die einige Jahre jünger war, als sie selbst. Trot z dem fühlte es sich richtig an. Etwas sehr Altes lag mit einem Mal in Nives Stimme, etwas We i ses. Etwas, das nicht greifbar war und doch real. „ Ich war z wa n zig, als ich Marc kennengelernt habe “ , begann sie ihre Erzählung. „ Er war einun d vierzig. Drei Jahre älter als mein Vater. Er war aus dem aktiven Dienst beim Militär ausgestiegen. Ich war auf der Suche nach Abe n teuern. Er hat zu viel getrunken, war ein Eigenbrötler und seine Ha a re begannen , über der Stirn ein wenig licht zu werden. Ich war schön , jung und begehrt. “ Sie lachte ein wenig. „ Nun ja, begehrt zu sein ist an einem Ort wie Thule nicht weiter schwer. Die Abe n teuer, die ich suchte, hätte ich hier ohne W eiteres finden können. Stattde s sen habe ich Marc gefunden. Er passte so wenig zu mir, wie ein Mensch nur zu einem anderen passen konnte, trotzdem wusste ich, dass er der Mann ist, zu dem ich gehöre. “
Im Nebenzimmer war es ruhig geworden. Friedlich. Kaya wandte den Kopf und sah Nive in die Augen. „ Warum erzählst du mir das? “
Ein unergründliches Lächeln huschte über die Miene der Freundin. „ War es so mit dir und deinem Mann? Dass du ihn gesehen hast und wusstest, hier gehörst du hin? Das ist der Mensch, der dich ganz macht, der deine zweite Hälfte ist ? “
Vorsichtig nickte Kaya. Sie wusste nicht, worauf das hinauslief. Zu viele Wahrheiten schwirrten durch die Luft, stiegen ihr zu Kopf und machten sie kopflos. „ Ich habe Nattoq geliebt. “
„ Das ist gut. “
Eine Weile schwiegen sie, jede in ihre eigenen Gedanken ve r tieft. Leise sprach Nive weiter, n i cht mehr als geflüsterte Geda n ken. „ Als Silas mit dir zusammen abflog , hatte ich das Gefühl, etwas Schreckl i ches würde passieren. Ich habe das manchmal. Gefühle. Wie damals, als ich Marc getroffen habe. “
Jetzt sah sie Nive direkt an , blickte in die Tiefen ihrer Augen und konnte sich nicht losreißen. Sie wusste nicht warum, aber verstand.
„ Dann haben sie das Wrack gefunden und Silas ’ Akte und den Sensor und dann … ich begriff , dass ich mich geirrt hatte. Es war nicht s Schreckliches, das passiert e , nur etwas Bedeutsames. Etwas Wichtiges. “
Kaya musste ein wenig lachen. „ Du willst mir sagen, dass Silas und ich füreinander bestimmt sind. Schicksalsgefährten, oder so was? Ich bitte dich! Ich bin Witwe. Ich bin vierunddreißig Jahre alt. Ich bin Wissenschaftlerin. Ich glaube nicht an … “
„ Nein “ , die andere schüttelte den Kopf. „ Was ich sagen will ist, dass Dinge geschehen , die wir manchmal nicht begreifen . Es ergibt keinen Sinn, dass ich mich in Marc verliebt habe. Es ergibt keinen Sinn, dass dein Mann so früh gestorben ist. Ich wei ß nicht, warum Silas in all diese schrecklichen Dinge verwickelt wurde , von denen Marc erfahren hat . E s ergibt auch keinen Sinn, dass ihr euch tagelang durch das Eis quälen musstet. In all dem muss kein tiefer Sinn st e cken. Es geschieht einfach. Ohne Sinn und Zweck, ohne Gut und Böse . “
„ Nive, ich … “
Kaya fehlten die Worte. Sie war Wissenschaftlerin, Himmel noc h mal. Sie konzentrierte sich auf Fakten, Messergebnisse , Za h len. Nive wischte ihren Protest zur Seite. Mit einem einzigen A u genaufschlag brachte sie Kaya zum Verstummen.
„ Kaya, was ich dir sagen will , ist, dass man Dinge nicht begre i fen muss, um weiterzumachen. Wenn ich in meinem Leben an der Seite von Marc eines gelernt habe, dann, dass
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