Polaris
IV – Serendipity existierte. ›Bald‹ schien einer jener besonderen kosmischen Begriffe zu sein und umfasste tatsächlich einige Hunderttausend Jahre.
Die Lebensformen waren groß, primitiv, hungrig. Keine Dinosaurier. Überhaupt keine Echsen. Sie waren überwiegend übergroße, warmblütige Giganten, die sich nur langsam bewegten. Ihre bemerkenswerte Größe wurde durch die niedrige Anziehungskraft des Planeten begünstigt, die nur bei drei Vierteln der Standardgravitation lag.
Die Welt war Serendipity – Glück oder die Gabe, glückliche Entdeckungen zu machen – genannt worden, weil auf dem Entdeckerflug einfach alles schief gegangen war. Entdeckt hatte die Welt die Kismet, ein Schiff aus Privatbesitz, gesteuert von Glücksjägern, die mehrere Jahrzehnte vor der Einführung von verbindlichen Forschungsrichtlinien durch die Konföderation auf Reisen gegangen waren. Richtlinien, die es unter anderem untersagten, ohne Lizenz Lebensformen einer Welt ins Biosystem einer anderen einzuführen.
Ein Mitglied des Außenteams war von einem der Riesenviecher getötet worden. Totgetrampelt, glaubte man der am meisten verbreiteten Version der Geschichte. Ein anderer war in ein Loch getreten und hatte sich ein Bein gebrochen. Eine Ehe hatte sich zu einem beinahe gewalttätigen Gezänk entwickelt. Der Captain hatte am Tag nach ihrer Ankunft einen tödlichen Herzanfall erlitten. Und inmitten all dieser Ereignisse waren die Armstrong-Maschinen der Kismet ausgefallen, sodass sie gerettet werden mussten.
Aus dem Orbit blickten wir auf eine Oberfläche hinab, die staubig braun und runzlig aussah, ausgetrocknet, aufgerissen, geborsten. An vielen Stellen strömte Dampf aus dem Boden. Serendipity besaß den üblichen großen Mond, der notwendig zu sein schien, damit sich große Landlebewesen entwickeln konnten, und der Himmel über dem Planeten war beinahe wolkenlos. Die Atmosphäre war atembar, und es gab keine für Menschen bekanntermaßen gefährlichen Krankheitserreger. Wollte man jemanden für ein paar Wochen oder Monate verstecken, so wäre dies der perfekte Ort. Aber wo passte der Hotelschlüssel dann ins Bild?
»Ich hatte gehofft, wir würden Glück haben«, sagte Alex.
»Sieht nicht so aus. Dieser Planet ist primitiv. Lebt überhaupt irgendjemand hier?«
Er grinste. »Würdest du hier leben wollen?«
»Nicht wirklich.«
»Aber nun sind wir hier«, sagte er, »also können wir ebenso gut suchen. Ich schätze, wir suchen nach einer Ansammlung von Modulen. Eine Art temporärer Behausung. Irgendetwas Künstliches.« Er war sichtlich entmutigt.
Ich wies Belle an, einen planetenweiten Scan durchzuführen.
Wir flogen über einen winzigen See und wieder über die Wüste. Dieser Planet war so trostlos und verloren, dass ihm auf merkwürdige Art eine gewisse unheimliche Schönheit innewohnte. Als wir den Terminator überquerten und in die Nacht eintraten, erglühte der Boden bisweilen unter ätherischem Feuer.
Aber dennoch war da nichts: keine Zuflucht und gewiss kein Hotel, in dem irgendwelche Besucher hätten absteigen können.
Nach zwei Tagen meldete Belle, dass der Scan abgeschlossen sei. »Ergebnis negativ«, erklärte sie. »Ich sehe keine künstlichen Gebilde auf der Oberfläche. «
Alex schloss grunzend die Augen. »Das überrascht mich nicht.«
»Zeit heimzufliegen«, sagte ich.
Er zog den Schlüssel aus der Tasche und starrte ihn an. Auf. Ab. Abschließen. Aufschließen. Zahlen. »Barber war bereit zu töten, um seine Existenz geheim zu halten«, sagte er.
Warum?
Ich blickte auf die Oberfläche hinab und dachte, dass dort unten nie irgendetwas geschehen würde. Die übergroßen Kreaturen würden einander weiter jagen, während es immer heißer und heißer wurde. Zu der Zeit, wenn selbst diese abgehärteten Lebensformen nur noch geringe Überlebenschancen hätten, wäre die menschliche Rasse vermutlich längst Geschichte, hätte sich vielleicht zu einer neuen Art weiterentwickelt. Das erinnerte mich an die Zeit und daran, dass sie immer schneller zu verrinnen schien, je älter man wurde, und daran, dass sie in Gravitationsfeldern oder unter dem Einfluss von Beschleunigung unterschiedlich schnell verlief. Daran, dass wir dazu neigen, die Welt, in der wir leben, für den Status quo zu halten, den Endpunkt jeglicher Geschichte. Es wird immer ein Rimway geben.
»Weißt du«, sagte ich zu Alex, »vielleicht sind wir in Bezug auf den Schlüssel von einer falschen Voraussetzung ausgegangen.«
Eine Braue
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