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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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ich.
    Alex sah mich an, als wäre ich das begriffsstutzigste Kind im Klassenraum. »Ist es dir nicht aufgefallen?«
    »Was?«
    »Teri Barber.«
    »Wie bitte?«
    »Ich dachte, du würdest sie gleich erkennen.«
    »Teri Barber war dort?«
    »Na ja, nicht die Barber selbst. Aber es könnte Agnes gewesen sein.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Wo?«, fragte ich.
    »Sieh es dir noch einmal an.« Er bat Jacob, die letzten zwei Minuten noch einmal abzuspielen. Dunninger und Mendoza nebst Satelliten versuchen, sich zur Tür durchzuquetschen. Maddy gestattete Juano, sie zu küssen. Er hing an ihr dran, presste keusch seine Wangen an ihre, als wüsste er, dass er im Zentrum meiner Aufmerksamkeit stand.
    »Standbild«, sagte ich.
    »Und? Was meinst du?«
    Ich starrte Maddy an. Die gleichen blauen Augen, die perfekt geformten Kiefer, die kesse Nase, das vage Lächeln, das ihre Lippen umspielte. Ein paar Falten mehr, aber davon abgesehen… »Ja«, sagte ich. »Wäre sie jünger, würden sie sich extrem ähnlich sehen.«
    »Mach sie dreiundzwanzig Jahre alt, Jacob. Und ändere die Haarfarbe. Versuch es mit Schwarz.«
    Ihre Züge wurden weicher. Die Intensität ihres Ausdrucks wich einer gemächlichen Unschuld. Die Fältchen, die gerade erst anfingen, sich an Stirn und Mundwinkeln zu zeigen, verschwanden. Die Haut im Kinnbereich straffte sich.
    Dazu schwarzes Haar. Kürzer.
    »Hattest du nicht gesagt, Teri Barber würde Maddy ähnlich sehen?«
    Tja, ich hatte Recht behalten. Sie war Maddy. Die beiden Frauen waren identisch.
    Den Akten zufolge hatte Madeleine English nie ein Kind bekommen. Aber es gab eine ganze Armee von Nichten und Cousinen, und als wir die Bilder der Familienangehörigen unserer Zeit durchsahen, fanden wir gleich drei, die Teri Barber ähnelten und etwa im richtigen Alter waren. Vor allem eine, eine Mary Capitana, glich ihr bis aufs Haar. Aber Mary war Assistenzärztin in der Kubranklinik mitten im Western Ocean, und die beiden anderen hatten auch eigene berufliche Laufbahnen beschatten, die ihnen keine Möglichkeit gelassen hätten, in ihrer Freizeit auf Trinity Island zu leben.
     
    Wir konnten über Agnes Shanley Crisp keine Aufzeichnungen für die Zeit vor dem Erwerb der Fluglizenz für überlichtschnelle Schiffe im Jahr 1397 finden. Was auch immer sie dem Gremium über ihre Vorgeschichte erzählt hatte, unterlag dem Datenschutz. Ihre einzige bekannte Adresse lag in einem Urlaubsort mit dem unheilverkündenden Namen Walpurgis, elfhundert Kilometer die Küste hinauf. Den Datenbeständen zufolge hatte sie die Stadt vor zwei Jahrzehnten, im Jahr 1405, verlassen. Danach gab es keine weiteren Aufzeichnungen.
    Derzeitiger Wohnort unbekannt.
    Walpurgis ist einer jener Orte, an denen der Aufschwung der letzten zehn Jahre spurlos vorübergegangen war. Aus welchem Grund auch immer – um diese Frage zu beantworten, sollten Sie einen Soziologen konsultieren – hat die Masse die Urlaubsorte an der Nordküste zugunsten der Ferieninseln aufgegeben.
    Nicht, dass das Gebiet arm gewesen wäre. Aber als Alex und ich dort eintrafen, sah es so aus, als würden die meisten Bewohner von dem staatlichen Mindestunterhalt leben und weiter nicht viel tun. Das Stadtzentrum zeichnete sich durch große, verfallende Hotels aus, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammten, ein paar Restaurants, die sich mit bunten Farben schmückten, und ein paar Sportstudios. Eine Unmenge an Gehwegen und Rampen gestattete einen freien Blick auf das Meer, und der ganze Süden der Stadt diente als riesiger Freizeitpark, der vor allem zu Kriegsspielen genutzt worden und vermutlich Pleite gegangen war, als die große Spielwelle vor einigen Jahren abgeebbt war. Auf den Straßen rührte sich nichts.
    Wir saßen in Rainbows neuem Gleiter, den wir erworben hatten, um den zu ersetzen, der uns verloren gegangen war. Er machte Shanleys alte Adresse ausfindig und brachte uns auf einer öffentlichen Landeplattform an einer Straßenecke am westlichen Stadtrand herunter. Eine ältere Frau mit einem weißen Hund kam aus einem Laden heraus, die Arme voller Einkäufe. Auf einem nahe gelegenen Schulhof spielten ein paar Kinder. Davon abgesehen war die Umgebung wie ausgestorben.
    »Dieser Ort hat schon bessere Tage gesehen«, kommentierte Alex.
    Tja, dachte ich, wer nicht?
    Rasenflächen waren von Unkraut überwuchert und seit langer Zeit nicht gemäht. Häuser lehnten sich windschief mal in die eine, mal in die andere Richtung. Rankgewächse strangulierten

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