Polarrot
Kontakt aufnehmen können.“
„Und Yves?“
„Yves ist ein ziemlich hohes Tier in der Résistance. In dieser Region laufen alle Aktionen über ihn. Aber mehr weiß ich auch nicht.“ Mayer nahm die Stühle vom Tisch.
„Kaffee? Ein Glas Wasser?“
Breiter setzte sich.
„Der Kaffee befindet sich hinter der linken Tür“, wies Breiter auf den Geschirrschrank.
„Falls Sie es sich zwischenzeitlich nicht anders überlegt haben, würde ich gerne bleiben und Ihnen helfen. Vier Hände schaffen mehr als zwei.“
Breiter klopfte mit den Fingern auf den Tisch.
„Sie müssen ja nicht gleich entscheiden …“
Breiter haute mit der Faust auf die Tischplatte und brüllte Mayer an: „Wissen Sie eigentlich, wo ich Ihretwegen und wegen Charlotte war? Wissen Sie das eigentlich?“
Mayer blickte auf den Boden und sagte: „Ja, im Gefängnis.“
„Setzen Sie sich hin und schauen Sie mir in die Augen, Sie, Sie halbe Portion.“
Mayer tat wie ihm befohlen.
„Ich war dort, wo Sie bald wären, wenn Sie jetzt nicht hier wären, Herr Mayer: im Konzentrationslager, KZ, wie die es nennen. Es war fürchterlich, es war grauenhaft. Wir wurden täglich gedemütigt, getreten, verprügelt, zu Untertieren degradiert, und die Schwachen schufteten sich zu Tode. Es ist die Böshölle, die Hasshölle, die Tothölle, Mayer. – Wenn die das zu Ende geführt haben, was sie zu meiner Zeit angefangen haben, wird keiner, keiner, der dort ist, das überleben.“
Breiter zitterte. Er wollte nie mehr zittern. Und schon gar nicht vor so einer halben Handvoll Mann wie dieser Mayer einer war.
„Es tut mir leid“, sagte Mayer leise und wollte seine Hand auf Breiters Arm legen, dieser zog aber zurück. Mayer stand auf, holte den Kaffee aus dem Schrank und setzte Wasser auf.
Stille trat ein, die einzig durch das aufkochende Wasser gestört wurde.
„Ich musste den Judenstern tragen“, begann Mayer leise und goss Wasser in den mit Kaffee gefüllten Filter.
„Am Anfang habe ich gedacht, die Deutschen könnten uns in den Niederlanden nicht gleich behandeln wie in Deutschland. Die Holländer haben sich auch kurz nach der Besetzung für uns gewehrt, was meine Hoffnungen nährte. Aber innerhalb eines Jahres hatten die Nazis alle ihre Gesetze durchgedrückt. ‚Judensau, putz meine Stiefel‘, herrschte mich ein SS-Unteroffizier mitten auf der Straße an. Da ich kein Schuhputzzeug dabei hatte, befahl er mir, mein Hemd auszuziehen und die Stiefel damit zu putzen. Sie waren voller Hundekot, in den er zuvor getreten war.
Von da weg begann ich meine Flucht zu planen. Charlotte gab mir über den Widerstand die Fluchtroute vor.“
Mayer stellte die Tasse dampfenden Kaffees vor Breiter hin und fuhr fort.
„In ganz Europa werden die Juden gesammelt und in den Osten deportiert. Ich glaube, die bringen da alle systematisch um.“
Breiter nippte vorsichtig an dem brennend heißen Kaffee, stellte die Tasse hin und sagte tonlos: „Ja, das glaube ich auch … nein, ich bin mir sogar sicher. Leider.“
Mayer setzte sich wieder an den Tisch.
„Wären Sie bereit etwas zu tun?“
Breiter schwieg, trank nochmals einen Schluck, schaute Mayer lange in die Augen und sagte: „Als Erstes werden wir jetzt eine vernünftige Toilette mit einer anständigen Sickergrube bauen. Und wenn wir fertig sind und der Krieg immer noch andauert, werden wir den Keller ausbauen und wenn dann immer noch geschossen wird, werden wir uns dem Stall und der Scheune widmen. Das werden wir jetzt tun.“
Am selben Abend setzte sich Breiter vor das Funkgerät.
„Juliette a cinq vaches.“
„Juliette a cinq vaches.“
„Juliette a cinq vaches.“
„Juliette a cinq vaches.“
„Juliette a cinq vaches.“
Nach dem fünften Mal schaltete Breiter den Empfänger ab.
Breiter ließ Mayer eine zwei mal zwei Meter breite und drei Meter tiefe Grube ausheben. Der Untergrund war teilweise felsig, so dass es nur langsam vor sich ging. Nach dem ersten Tag hatte Mayer Blasen an den Händen. Breiter ließ ihn den Stall vollständig ausmisten und putzen. Dann schickte er ihn wieder in die Grube. Eine weitere Woche mit Schaufel und Spitzhacke, und Mayer war fertig mit dem Aushub. Danach musste er die Steine mit dem Hammer zu grobem Kies für den Boden verarbeiten, den Graben für die Rohre ausheben, diese zum ehemaligen Ziegenstall im hinteren Teil des Hausen führen, ein Loch in die Grundmauern bohren, die Toilettenschüssel an die Rohre anschließen und letztlich die Spülung
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