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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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Frühstück aufgedeckt und eine Tasse heißer Kaffee stand an seinem Platz.
    Mayer nahm sich auch eine Tasse und setzte sich dazu.
    „Wir müssen uns beeilen. Das Wetter ist ungewöhnlich warm und Yves hat einige Kunden.“
    „Juden?“
    „Herr Mayer, es ist mir eigentlich egal, ob Juden, Katholiken, Zigeuner, Deutsche, Franzosen oder Inder. Geschäft ist Geschäft.“
    Mayer schaute in seine Tasse und blieb still.
    „Ja, blicken Sie nur in Ihre Tasse. Aber haben Sie sich mal überlegt, was das hieße, wenn wir es kostenlos machen würden? Wie viele dann kämen? Und wohin mit all denen?“
    „Sie reden ja bereits wie Ihre Regierung.“
    „Aber es ist doch wahr. Zudem wären wir gar nicht genug Passeure, um alle hinüberzubringen.“
    „Aber so kommen ja nur die Reichen in Sicherheit. Die Armen können sich dies eh nicht leisten.“
    „War das nicht immer so? Ich auf alle Fälle kann mich an nichts Anderes erinnern.“
    „Aber muss es so sein?“
    „Der Krieg wird nichts verändern. Und überhaupt: Was wollen Sie denn, Mayer, Sie haben doch auch davon profitiert. Denken Sie wirklich, Sie wären da ohne das nötige Kleingeld und die richtigen Beziehungen lebend herausgekommen? Also Ende der Diskussion. Gehen wir in den Keller arbeiten, damit die armen Hunde wenigstens ein anständiges Nachtlager haben.“
    Breiters Kassen füllten sich. Während der letzten Septembertage und im anhaltend milden Oktober brachten Breiter und Yves insgesamt achtundreißig Flüchtlinge in die Schweiz. Meist Juden, zweimal je eine vierköpfige Familie, die wie die anderen gleich nach Biel weiterzogen. Zwei französische Widerstandskämpfer, für die der Boden in Frankreich zu heiß geworden war, zogen nach Genf weiter.
    Mit dem ersten Schnee rasierte sich Breiter, packte fünfzigtausend Schweizer Franken in seine Manteltaschen, bestieg den Zug nach Biel, eröffnete bei zwei verschiedenen Banken mit je zwölfeinhalbtausend Franken ein Konto, bestieg den Zug nach Solothurn und zahlte die restlichen fünfundzwanzigtausend auf sein bestehendes Sparbuch ein.
    Danach aß er im „Roten Turm“ einen Ambassadorenteller, übernachtete dort und kehrte am anderen Morgen wieder zurück nach Les Chenevières.
    Er hatte eingekauft: Für Mayer einen warmen Pullover, winterfeste Hosen und ein paar neue Schuhe. Für das Abendessen Schweinebraten, Nudeln, Gemüse und zum Nachtisch eine Solothurner Torte. Dazu die Flasche Figeac. Breiter fand, es sei das richtige Mahl, um in den langen Winter zu gehen. Auch die Nachrichten aus dem fernen Russland, wo der deutsche Vormarsch bei Stalingrad gestoppt wurde, waren ermutigend. Endlich trat denen jemand entschlossen gegenüber. Auf Willy und dessen Partei war eben Verlass.
    Und aus lauter Euphorie bot Breiter Mayer auch noch das „Du“ an.
    „Danke, Isaak“, war seine Antwort.
    Während der nächsten Tage brachten sie den Umbau des Kellers zu Ende und bauten eine Mauer um die Toilettenschüssel, so dass sich daraus ein wirklich stilles Örtchen ergab und nicht eine freistehende Klosettschüssel mit Sicht auf die Küchentüre.
    Am Freitag hörten sie Radio Londres. Laut dessen Angaben hätten die sowjetischen Truppen die 6. Deutsche Armee in Stalingrad eingekesselt. Das wäre doch schon mal was. In Nordafrika hatte Montgomery das zwischenzeitlich an die Deutschen verlorene Tobruk zurückerobert. Der Krieg schien sich zu wenden. Und dann kamen die ‚Messages personnels‘ und die wirklich ganz persönliche Nachricht, „Juliette embrasse Jaqcues“, wurde von Millionen Franzosen über die an geheimen Orten versteckten Radioempfänger mitgehört.
    „Das war wohl an mich gerichtet“, sagte Breiter trocken.
    „Ich glaube, sie ist sehr stolz auf dich, Jacques.“
    „Ich mache meine Arbeit und verdiene am Elend anderer Leute viel Geld. Ich bin mir nicht sicher, ob man darauf so stolz sein kann.“
    „Aber du rettest Leben.“
    „Für Geld.“
    „Ja für Geld. Aber es sind Leben. Und noch was: Ich habe noch nie einen so freien Mann wie dich gesehen. Wärst du nicht so, wäre das alles nicht möglich.“
    „Dafür braucht man eben Geld.“
    „Nicht nur. Man muss auch ablegen können.“
    „Was ablegen?“
    „Sich der Schichten der Vergangenheit, der über Generationen weitergegeben Zwänge entledigen, welche die Eltern einem übergestülpt haben, die sie selbst von ihren Eltern übergestülpt bekommen haben, und die wiederum von ihren Eltern. Dieses unsägliche Gemisch aus Religion, Moral und

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