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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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installieren. Was insgesamt zwei Wochen dauerte und bei Mayer zu Händen führte, die auch zum Arbeiten benutzt werden konnten. Breiter überließ ihm großzügig das Privileg des ersten Geschäfts.
    Zwischenzeitlich hatte er für Mayer ein Zimmer im Obergeschoss eingerichtet, in welches er ihn nach der Fertigstellung der Toilette hatte einziehen lassen. Dazu wurde auch eine Flasche Château Cantemerle kredenzt.
    Der September war erstaunlich warm und trocken. Mayer war in Breiters Augen langsam wirklich zu gebrauchen. Der Keller ging voran, gemeinsam trugen sie den Verputz auf, wobei Mayer den Hilfsarbeiter spielte, das Sand-, Kalk- und Zementgemisch draußen anmachte, hineintrug, wo Breiter mit immer eleganter werdendem Kellenschwung den Putz auftrug und die Wände anschließend sauber abrieb.
    „Ich habe mit Leni geredet“, sagte Breiter, als ihm Mayer Putz auf die Traufel schöpfte.
    „Wer ist Leni?“
    „Die Kuh mit dem Brett vor dem Kopf.“
    „Und?“
    „Ich nehme wieder Kontakt mit Yves auf.“
    „Oh! Danke.“
    „Nichts zu danken.“
    „Juliette a cinq vaches.“
    „Juliette a cinq vaches.“
    „Salut Monsieur Boucle.“
    „Salut Monsieur S’Elagier.“
    Pause.
    Yves fuhr fort: „Oui?“
    „Oui.“
    „Die Vögel singen falsch.“
    Das war unvorhergesehen, Breiter musste nachdenken. Yves wiederholte: „Die Vögel singen falsch.“
    Ja, klar: „Die Vögel singen falsch.“
    „Salut Monsieur S’Elagier.“
    „Salut Monsieur Boucle.“
    Breiter machte sich um drei Uhr morgens auf. Die Grenzsoldaten der Schweizer Armee patrouillierten auf dem Plateau der Franches-Montagnes, vornehmlich da, wo Forstwege in die Tiefen des Waldes und an die Ufer des Doubs führten. Breiter folgte den Pfaden der Tiere, was zu einer Begegnung mit einem Dachs führte, der Breiter mit eindringlichem Fauchen klarmachte, dass er hier über die Wegrechte verfügte.
    Am Doubs angekommen, zog Breiter die Schuhe aus, krempelte die Hosen hoch und watete leise durch den wegen des lang anhaltenden warmen Wetters wenig Wasser führenden Fluss. Auf der anderen Seite angekommen, suchte er sofort Schutz im Wald. Er war in Feindesland. Ein leichtes Zittern erfasste seinen Körper. Elsie meldete sich aus der Erinnerung, einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Er küsste sie dafür, das Zittern legte sich.
    Es raschelte im Unterholz, Schritte waren zu hören. Er griff nach einem festen Ast, umklammerte ihn. Wäre es eine deutsche Patrouille, er würde sofort zuschlagen und über den Fluss rennen, sich notfalls erschießen, sich aber sicher nicht lebend erwischen lassen. Er würde so oder so nicht lebend zurückkehren.
    Zu seiner Erleichterung war es Yves, der, ohne ihn zu bemerken, etwa fünf Meter entfernt vorbeiging. Breiter schnalzte leise mit der Zunge, Yves bemerkte es, kam auf ihn zu, umarmte ihn und setzte sich neben ihn.
    „Über alles nachgedacht?“, fragte Yves, indem er mit seiner Schulter gegen Breiters Schulter stieß.
    „Ja.“
    „Hat aber gedauert.“
    „Ich musste auch meine Welt wieder zurechtrücken.“
    „Und?“
    „Leni hat mir zwar geholfen. Aber wie du weißt, Kühe denken so lange wie sie kauen.“
    „Oui, oui, les vaches.“
    „Das kannst du laut sagen.“
    Sie lächelten einen Moment, dann schwiegen sie eine Weile.
    „Ist er brauchbar?“, nahm Yves das Gespräch wieder auf.
    „Er wird immer brauchbarer und brauchbarer.“
    „Und? Machen wir weiter?“, fragte Yves schließlich.
    „Ja, aber nur gegen Bezahlung.“
    „Kein Problem.“
    „Gut. Wir müssen planen, solange das Wetter noch hält und der Fluss wenig Wasser führt.“
    „Nimmst du ihn mit?“
    „Nein. So brauchbar ist er wohl noch nicht.“
    Yves musste lachen. „Ja, ist besser so. Wollte es nur wissen.“
    „Und? Prüfung bestanden, mon Général?“
    „Ja, ja. Hier noch als Belohnung.“ Yves zog eine Flasche Château Figeac aus dem Mantel und übergab sie Breiter.
    „Danke. Das Mindeste, nach all dem“, schmunzelte Breiter und stieß seine Schulter gegen die von Yves.
    „Alors“, stand Yves auf, „Salut Monsieur S’Elagier.“
    „Salut Monsieur Boucle.“
    „Ah, Monsieur S’Elagier, Radio Londres.“
    „Oui, oui, Monsieur Salto.“

 
    Auf dem Rückweg begegnete Breiter wiederum dem Dachs, der ihn aber bereits als Zugehörigen der nächtlichen Gemeinschaft im Wald unterhalb der Arete des Sommêtres betrachtete und ohne Notiz zu nehmen an ihm vorbeischnüffelte.
    Als er nach Hause kam, hatte Mayer bereits zum

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