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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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mit Ihnen machen wird? Wissen Sie das?“
    Mayer schüttelte den Kopf.
    „Er wird Sie mitsamt dem Gold auf den nächsten Polizeiposten bringen und die werden Sie, wie alle anderen illegalen jüdischen Flüchtlinge, in ein Internierungslager stecken. Und das muss Ihr Rabbi Lauer tun, denn sonst hätte er bei den Behörden verspielt und es wäre aus mit seiner Hilfe für die Juden.“
    Mayer schwieg.
    „Sie bleiben jetzt erst mal hier und werden ein wenig arbeiten. In der Zwischenzeit sehen wir, wie sich die Lage entwickelt.“
    „Warum sollte ich das tun?“
    „Weil Sie keine andere Wahl haben, wenn Sie diese Zeit lebend mitsamt Goldbarren in der Hand überstehen wollen.“
    „Und wenn ich das nicht will? Mariastein ist nicht so weit?“
    „Fluchthilfe ist nicht strafbar. Und für den Verrat von Illegalen wird eine Belohnung bezahlt.“
    „Warum? Warum nur?“
    „Wer hat das eingefädelt, dass Sie hier sind?“
    Mayer schwieg.
    „Wer hat das eingefädelt?“, insistierte Breiter laut.
    „Jacques a une cigarette pour deux“, sagte Mayer zögerlich.
    Breiter bebte die Magengrube. Er stand auf, ging zu Mayer, legte ihm die Hand auf die Schulter, drückte ein wenig zu und sagte leise, aber mit so viel Festigkeit in der Stimme, wie es seine Gefühle zuließen: „Darum.“
    In seiner Erregung ging Breiter schnurstracks zu seinen Kühen, nahm Leni am Brett, zog sie zu einem ziemlich erodierten Findling, setzte sich auf diesen und redete auf sie ein. Dass da sicher Charlotte dahinterstecke, das mit der einen Zigarette für zwei, das könne nur sie sein, dass es das Hinterletzte von ihr sei, ihm jetzt diesen Mayer zu schicken, für den er doch im KZ gesessen hatte, also falls sie dahinterstecke, und auch Yves, der sicher davon wusste, denn wie sonst führe der Weg von hier über Charmauvillers in die Radiostudios von BBC London, wenn nicht über die andere Seite des Doubs? Und den Yves, den nehme er deswegen auch noch dran, da könne sie, Leni, sicher sein, der könne sich auf etwas gefasst machen, überhaupt, das sei ein ganzes Komplott gegen ihn, der Willy hätte schon recht gehabt, er solle sich nicht auf diese reiche Dame einlassen, er solle lieber kleinere Brötchen backen, da sei oft mehr Glück drin, Heilandsack, in was bin ich da eigentlich reingeraten?
    Leni hob anfänglich noch den Kopf und versuchte unter dem Brett hindurch Breiter anzusehen, aber dies wurde ihr bald zu mühsam, so wandte sie sich wieder dem frischen Gras zu.
    Ja, es ist Krieg und ich lebe auf der besseren Seite der Grenze. Aber ich war ihretwegen in diesem Scheiß-KZ, in der Hölle, ich habe den wahren Grund des Krieges noch vor dem Krieg kennengelernt, war dort, wo sich Menschlichkeit und Kaltherzigkeit täglich die Tür in die Hand geben, wo Abscheu das Programm und Willkür dessen Ausführung ist, wo der Tod seinen Zählreim an ungeputzten Schuhen oder versteckten Zigaretten ausprobiert. Haben die vergessen, wo ich ihretwegen war? Was ich für sie durchgemacht habe?
    Breiter bemerkte, dass die Kuh ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit schenkte, rutschte vom Findling herunter, ging auf Leni zu, hob ihren Kopf, was diese benutzte, um mit ihrer rauen Zunge seinen Unterarm abzuschlecken, tätschelte ihren Kopf und eröffnete ihr, dass er ja niemanden habe, mit dem er darüber sprechen könne. Mit Yves sei es momentan zu gefährlich und Pierre wolle er nicht einweihen. So bliebe halt nur sie und er verspreche ihr, eines Tages nehme er ihr das Brett weg.
    Sie leckte ihm nochmals die Hand und trottete davon.
    Breiter ging zurück, um Mayer wegen Charlotte zu stellen. Als er die Küche betrat, war das ganze Geschirr der letzten Tage abgewaschen, die Stühle standen auf dem Tisch und der Boden war feucht aufgewaschen. Mayer lehnte in der gegenüberliegenden Tür am Rahmen.
    „Bitte nicht drauftreten, noch feucht“, sagte Mayer halb beschwichtigend, halb um Anerkennung heischend.
    „Danke.“
    „Bitte. Ich versuche mich nützlich zu machen.“
    „Charlotte?“
    „Ja, sie lässt Sie umarmen.“
    „Wie?“
    „Sie ist in London. Arbeitet für die Briten. Da sie perfekt Deutsch, Französisch und Englisch kann, kam sie bereits früh in den Nachrichtendienst. So wurde sie die Scharnierstelle zwischen der Abhörstelle, den Briten und den Franzosen. Dadurch muss sie auch Zugang zu Radio Londres und der Exilleitung der Résistance bekommen haben.“
    „Woher wissen Sie das alles?“
    „Ich habe über den holländischen Widerstand mit ihr

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