Polarsturm
Aussichtslounge über der Brücke und bot seinen 2100 Passagieren höchsten Luxus und Komfort.
Dirk und Summer, die am Strand von Gil Island standen und zu dem leuchtend weißen Dampfer hinblickten, sahen nur ein Todesschiff. Noch immer drang aus den sechs Rohren giftiges Kohlendioxid, und die Dunstwolke hatte sich mittlerweile fast einen Kilometer weit ausgebreitet. Der leichte Westwind wehte das Gas von der Insel weg, trieb es dafür aber weiter in die Meeresstraße. Die
Dauphine
würde fast fünf Minuten brauchen, bis sie die Wolke passiert hatte, und in dieser Zeit konnte das schwere Kohlendioxid in die Lüftungsschächte und Klimaanlagen eindringen und sich im ganzen Schiff ausbreiten, den Sauerstoff verdrängen und Tod und Verderben über Passagiere und Besatzung bringen.
»Da müssen Tausende von Menschen an Bord sein«, stellte Summer fest. »Wir müssen sie warnen.«
»Vielleicht ist in der Hütte ein Funkgerät«, sagte Dirk.
Sie stürmten in die Fischerhütte und wühlten in sämtlichen Ecken und Winkeln herum, ohne auf Trevors Gemurmel zu achten. Aber es gab kein Funkgerät. Als sie wieder hinausgingen, blickte Dirk auf die weiße Gaswolke und versuchte ihr Boot zu entdecken, doch es lag noch immer mitten in dem tödlichen Dunst.
»Wie viel Luft hast du noch in deiner Flasche?«, fragte er Summer. »Ich kann versuchen, zum Boot zu schwimmen und sie per Schiffsfunk zu erreichen, aber meine Pressluftflasche ist leer.«
»Nein, das kannst du nicht«, versetzte Summer kopfschüttelnd. »Meine Flasche ist auch fast leer, weil wir beide daraus geatmet haben. Du kommst niemals lebend zum Boot. Ich lass dich nicht weg.«
Dirk ging auf die Bitte seiner Schwester ein, wusste er doch, dass er tatsächlich so gut wie keine Überlebenschance hätte. Verzweifelt sah er sich um und suchte nach irgendetwas, mit dem sie das Schiff warnen konnten. Dann bemerkte er das große Ölfass neben der Hütte. Er rannte zu der verrußten Tonne, legte die Hände um den Deckel und drückte ihn nach oben. Zunächst rührte er sich nicht, dann aber löste er sich doch mit einem Schmatzen, das ihm verriet, dass das Fass fast voll war. Er schraubte die oberste Dose auf, steckte den Finger hinein und roch daran.
»Benzin«, sagte er, als Summer zu ihm kam. »Ein Reservedepot, damit die Angler ihre Boote auftanken können.«
»Wir können ein Signalfeuer anzünden«, schlug Summer vor.
»Ja«, sagte Dirk mit einem bedächtigen Nicken. »Vielleicht auch noch was Auffälligeres.«
Der Kapitän der Dauphine war zufällig auf der Brücke, um sich nach der Wettervorhersage zu erkundigen, als sich der Erste Offizier an ihn wandte.
»Käpt’n, unmittelbar vor uns scheint sich ein Hindernis im Wasser zu befinden.«
Der Kapitän las den Wetterbericht zu Ende, dann begab er sich zum Ersten, der durch ein starkes Fernglas schaute. Da es in der Inside-Passage viele Wale und Delfine gab und gelegentlich auch Baumstämme im Wasser trieben, die ein Holzfrachter verloren hatte, musste man hier stets mit Hindernissen rechnen. Für das große Schiff allerdings, das einfach hindurchpflügte, als wären es Zahnstocher, stellten sie keine Gefahr dar.
»Eine halbe Meile voraus, Sir«, sagte der Erste und reichte ihm das Glas.
Der Kapitän setzte das Fernglas an und betrachtete dann die weiße Wolke, die genau auf ihrem Kurs lag. Unmittelbar vor der Nebelbank lag irgendetwas, das einen schwarzen und einen blauen Höcker hatte, tief im Wasser. Der Kapitän musterte es fast eine Minute lang und stellte das Glas schärfer.
»Dort ist ein Mensch im Wasser«, stieß er aus. »Scheint ein Taucher zu sein. Rudergänger, gehen Sie auf fünf Knoten herunter und bereiten Sie sich auf eine Kursänderung vor.«
Er gab dem Ersten das Glas zurück und ging zu einem Farbmonitor mit einer Seekarte von der Passage, auf der ihr Kurs abgebildet war. Er las die Tiefenangaben und stellte zufrieden fest, dass sie auf der östlichen Seite der Straße genug Wasser unter dem Kiel hatten und die Durchfahrt wagen konnten. Er wollte dem Rudergänger gerade die Kursänderung mitteilen, als sich der Erste wieder meldete.
»Sir, ich glaube, Sie sollten sich das lieber noch mal ansehen. Da drüben auf der Insel ist jemand und versucht, uns Zeichen zu geben.«
Der Kapitän ließ sich ein zweites Mal das Glas geben und spähte nach vorn. Das Schiff war jetzt so nahe, dass er Dirk, der neben einem Y-förmigen Baumstamm schwamm, in seinem blauen Trockentauchanzug deutlich
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