Polarsturm
einem Tanker freigesetzt wurde. Wir mussten unser Boot aufgeben und zur Insel schwimmen. Meine Schwester und ein weiterer Mann sind mit knapper Not dem Tod entronnen.«
Als der Erste Offizier, der ganz in der Nähe stand, das hörte, schüttelte er den Kopf und kicherte.
»Was für eine absurde Geschichte«, sagte er so laut zu einem anderen Besatzungsmitglied, dass Dirk es hören konnte.
Ohne ihn zu beachten, blieb Dirk weiter vor dem Kapitän stehen.
»Was ich gesagt habe, entspricht den Tatsachen. Wenn Sie den Tod von Tausenden Passagieren riskieren wollen, dann fahren Sie weiter. Aber setzen Sie uns vorher an Land ab.«
Der Kapitän betrachtete Dirks Gesicht, als suchte er nach Anzeichen von Wahnsinn, sah aber nur dessen entschlossene Miene. Ein Besatzungsmitglied, das am Radarsichtgerät stand, riss sie aus ihrer Anspannung.
»Sir, in der Nebelbank liegt ein Boot, etwa eine halbe Meile Steuerbord voraus.«
Der Kapitän nahm den Hinweis zur Kenntnis, dann wandte er sich wieder an Dirk.
»Na schön, wir werden den Kurs ändern und nicht weiter in die Straße vordringen. Die Küstenwache ist bereits zu uns unterwegs. Wenn Ihre Aussage nicht stimmt, Mr. Pitt, werden Sie strafrechtlich belangt werden.«
Kurz darauf näherte sich Rotorengeräusch, und ein in Prince Rupert stationierter orange-weißer Hubschrauber der kanadischen Küstenwache tauchte an Backbord auf.
»Käpt’n, teilen Sie dem Piloten bitte mit, dass er nicht in oder über die Wolke fliegen soll. Vielleicht wäre es auch ganz nützlich, wenn er die Nordwestküste von Gil umfliegt«, sagte Dirk.
Der Kapitän hielt sich an den Rat und erklärte dem Piloten die Lage. Der Helikopter drehte ab und verschwand für zwanzig Minuten, kehrte dann zum Kreuzfahrtschiff zurück und meldete sich über Funk.
»
Dauphine
, wir können bestätigen, dass ein Flüssiggastanker an einem schwimmenden Terminal vor der Nordküste von Gil liegt. Möglicherweise haben Sie mit Ihrer Vermutung Recht, dass er illegal Gas abgelassen hat. Wir setzen Warnmeldungen an sämtliche Küstenwachstationen und die Polizei ab. Ich rate Ihnen, den Kurs zu ändern und Gil westlich zu passieren.«
Der Kapitän dankte dem Piloten der Küstenwache und steckte dann den neuen Kurs ab. Kurz darauf kam er wieder zu Dirk zurück.
»Allem Anschein nach haben Sie mein Schiff vor einer großen Katastrophe bewahrt, Mr. Pitt. Ich entschuldige mich dafür, dass wir Ihnen nicht gleich geglaubt haben, und möchte mich für die Warnung bedanken. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich irgendetwas für Sie tun kann.«
Dirk dachte kurz nach, dann sagte er: »Tja, Käpt’n, irgendwann würde ich mein Boot gern wiederhaben.«
Dirk und Summer blieb nichts anderes übrig, als an Bord der
Dauphine
zu bleiben, bis sie tags darauf spätabends in Vancouver anlegte. Trevor war mittlerweile wieder auf den Beinen, wurde aber über Nacht zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht. Dirk und Summer besuchten ihn, bevor sie mit dem Zug nach Seattle fuhren.
»Bist du wieder aufgetaut?«, fragte Summer, als sie Trevor unter einem Berg Decken im Krankenzimmer liegen sah.
»Ja, und jetzt wollen sie mich bei lebendigem Leib kochen«, erwiderte er, froh darüber, sie zu sehen. »Beim nächsten Mal krieg
ich
den Trockentauchanzug.«
»Einverstanden«, sagte sie lachend.
»Hat man den Flüssiggastanker erwischt?«, fragte er und wurde mit einem Mal ernst.
»Auf der
Dauphine
hat man gesehen, wie er Kurs auf die offene See nahm, als wir Gil umfuhren. Offenbar hat er die Flucht ergriffen, als man den Hubschrauber bemerkt hat. Glücklicherweise hat der Pilot der Küstenwache die Videokamera laufen lassen und ihn an dem schwimmenden Terminal gefilmt.«
»Damit sollte man das Schiff zu einer von Goyettes Firmen zurückverfolgen können«, fügte Dirk hinzu. »Aber dem wird schon was einfallen, wie er jede Schuld von sich weisen kann.«
»Genau das hat meinen Bruder also umgebracht«, sagte Trevor mit finsterer Miene. »Und uns hätten sie auch fast erwischt.«
»Hat dir Summer schon erzählt, dass sie die Nachricht entziffert hat, die dein Bruder auf der
Ventura
hinterlassen hatte?«, sagte Dirk.
»Nein«, erwiderte er, setzte sich auf und schaute Summer an.
»Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, seit wir die
Ventura
gefunden haben«, sagte sie. »Letzte Nacht auf dem Schiff bin ich draufgekommen. Er wollte uns mitteilen, dass sie in mattes Wetter geraten sind.«
»Der Begriff sagt mir nichts«, sagte
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