Polarsturm
von Stromschaltern. Giordino, der neben ihm auf dem Kopilotensitz Platz genommen hatte, ging die Checkliste durch. Beide Männer trugen nur leichte Pullover und zitterten in der kalten Kabine, die sich aber durch die elektrischen Geräte an Bord bald aufheizen würde.
Pitt blickte auf, als Jack Dahlgren durch die Luke hereinschaute.
»Denkt dran, Jungs, dass sich die Batterien bei der Kälte schneller leeren. Und jetzt haltet euch ran und bringt mir die Schiffsglocke, dann lass ich vielleicht die Lichter für euch an.«
»Wenn du die Lichter anlässt, behältst du eventuell auch deinen Job«, gab Giordino zurück.
Dahlgren lächelte und summte Merle Haggards »Okie from Muskogee«, dann schloss er die Luke. Ein paar Minuten später bediente er die Hebel eines kleinen Krans, hievte das Tauchboot vom Deck und setzte es mitten in dem hell erleuchteten Moon Pool des Schiffes ab. Pitt gab von innen das Zeichen zum Ausklinken, worauf das zigarrenförmige gelbe Tauchboot mit dem Abstieg begann.
Das Meer war an dieser Stelle knapp über dreihundert Meter tief, und die langsame
Bloodhound
brauchte fast eine Viertelstunde bis zum Grund. Das grau-grüne Wasser draußen vor dem großen Sichtfenster des Tauchboots wurde rasch pechschwarz, aber Pitt wartete, bis sie in zweihundertfünfzig Meter Tiefe waren, ehe er die starken Außenscheinwerfer einschaltete.
Giordino, der sich in der nur langsam wärmer werdenden Kabine die Hände rieb, schaute Pitt mit einer Bitterleidensmiene an.
»Habe ich dir schon gesagt, dass ich gegen Kälte allergisch bin?«, fragte er.
»Mindestens tausend Mal.«
»Das dicke italienische Blut meiner Mama zirkuliert bei diesen eisigen Temperaturen nicht richtig.«
»Meiner Meinung nach liegt das eher an deiner Vorliebe für Zigarren und Peperonipizzas als an deiner Mutter.«
Giordino warf ihm einen dankbaren Blick zu, weil er ihn an etwas erinnert hatte, holte einen kalten Zigarrenstumpen aus seiner Hosentasche und klemmte ihn zwischen die Lippen. Dann griff er zum Abzug eines Sonarbilds vom Wrack und legte ihn auf den Schoß.
»Wie sieht unser Angriffsplan aus, sobald wir vor Ort sind?«
»Ich gehe davon aus, dass wir dreierlei vorhaben«, erwiderte Pitt, der den Tauchgang minutiös durchgeplant hatte. »Zuallererst müssen wir natürlich zusehen, dass wir das Wrack identifizieren. Wir wissen, dass die
Erebus
in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ruthenium stand, das die Inuit in ihren Besitz gebracht haben. Wir wissen allerdings nicht, ob das auch für die
Terror
gilt. Wenn es sich bei dem Wrack um die
Terror
handelt, finden wir möglicherweise keinerlei Hinweise an Bord. Womit wir bei Aufgabe Nummer zwei wären, nämlich in den Laderaum einzudringen und festzustellen, ob dort größere Mengen des Minerals lagern. Der dritte Schritt ist am heikelsten. Dazu müssten wir den Mannschaftsraum und die Kapitänskabine durchsuchen und feststellen, ob das Logbuch des Schiffes noch vorhanden ist.«
»Du hast Recht«, pflichtete Giordino bei. »Das Logbuch der
Erebus
wäre der Heilige Gral. Das würde uns mit Sicherheit verraten, wo das Ruthenium gefunden wurde. Wobei wir allenfalls hoffen können, dass es erhalten geblieben ist.«
»Zugegeben, aber unmöglich ist es nicht. Das Logbuch war vermutlich in Leder gebunden und in einer Kiste oder einem Schrank verstaut. In diesem kalten Wasser besteht durchaus die Chance, dass es unversehrt geblieben ist. Danach müssen dann die Konservatoren feststellen, ob es sich erhalten hat und entziffern lässt.«
Giordino warf einen Blick auf den Tiefenmesser. »Wir sind gleich bei zwohundertneunzig Metern.«
»Tariere auf neutrales Schweben«, teilte Pitt mit und regulierte den Ballasttank des Tauchboots. Ihr Abstieg wurde langsamer, als sie die Dreihundertmetermarke passierten, und wenige Minuten später tauchte der flache, steinige Meeresboden unter ihnen auf. Pitt stellte den Antrieb an und steuerte das Boot mehrere Meter über den Grund.
Auf dem zerklüfteten braunen Meeresboden gab es so gut wie kein Leben – eine kalte, öde Welt, nicht viel anders als die Permafrostlandschaft an der Oberfläche. Pitt brachte das Tauchboot in die Strömung und steuerte es in eine Reihe weit ausholender S-Kurven. Die
Narwhal
lag zwar genau über dem Wrack, aber ihm war klar, dass sie beim Abstieg ein ganzes Stück nach Süden abgetrieben worden waren.
Giordino entdeckte das Wrack zuerst und deutete auf einen dunklen Schatten an Steuerbord. Pitt zog die
Bloodhound
scharf
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