Polarsturm
abzuwenden, wusste er doch, dass sie sich umso langsamer bewegte, je öfter er hinschaute. Daher lehnte er sich zurück, schloss eine Zeit lang die Augen und versuchte sich vorzustellen, in welchen Schwierigkeiten die
Narwhal
stecken könnte, während sich Giordino ein ums andere Mal um Funkkontakt bemühte.
Als er die Augen wieder öffnete, stellte er fest, dass sie nur noch knapp dreißig Meter tief waren, und ein paar Minuten später tauchten sie inmitten eines schäumenden Blasenstroms auf. Pitt schaltete die Außenlichter ein, die lediglich den dichten Nebel rundum erfassten. Das Funkgerät blieb weiter stumm, während sie vom kabbeligen Wasser durchgeschaukelt wurden.
Als sie auf sich allein gestellt in der kalten See trieben, wurde Pitt und Giordino allmählich klar, dass das Allerschlimmste geschehen sein musste. Die
Narwhal
existierte nicht mehr.
70
»Der Rettungstrupp ist verschwunden? Was soll das heißen?«
Die wütende Stimme des Präsidenten hallte von den Wänden des Situation Room wider, der sich im Untergeschoss des Westflügels vom Weißen Haus befand.
»Sir, der Trupp ist zum vereinbarten Zeitpunkt nicht an der Abflugstelle eingetroffen«, antwortete ein Colonel der Army, der von den Generälen im Pentagon als Opferlamm vorgeschickt worden war, mit leiser Stimme. »Die an der Landebahn zurückgebliebene Hilfstruppe wurde vom Einsatzteam nicht verständigt, dass es irgendwelche Schwierigkeiten gab, und konnte planmäßig evakuiert werden.«
»Man hat mir zugesichert, dass es sich um einen Einsatz mit geringem Risiko handelt, der mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit gelingt«, sagte der Präsident und warf dem Verteidigungsminister einen funkelnden Blick zu.
Daraufhin herrschte Schweigen, da niemand Lust hatte, den Präsidenten noch mehr aufzubringen.
Vizepräsident Sandecker, der zwei Plätze neben dem Präsidenten saß, verfolgte das Ganze leicht belustigt. Als man ihn zu einer außerplanmäßigen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates gerufen hatte, war er zunächst überrascht gewesen, dass nicht weniger als fünf Generäle links und rechts vom Verteidigungsminister saßen. Ihm war klar, dass das kein gutes Zeichen war. Sandecker mochte den Minister nicht besonders, einen Mann, den er für engstirnig und kriegslüstern hielt. Doch angesichts der Krise, die es zu bewältigen galt, stellte er seine persönlichen Animositäten hintan.
»Colonel, warum erzählen Sie uns nicht, was Sie genau wissen?«, sagte Sandecker, um die Wut des Präsidenten zu zügeln.
Der Colonel schilderte den Einsatz und die nachrichtendienstlichen Erkundungen, die der Befreiungsaktion vorausgegangen waren. »Das Verwirrendste dabei ist, dass es Hinweise gibt, dass der Trupp die Gefangenen befreien konnte. Wir haben Funksprüche der kanadischen Streitkräfte in Tuktoyaktuk abgefangen, die einen Angriff auf das Gebäude, in dem die Besatzung der
Polar Dawn
festgehalten wurden, und die anschließende Befreiung der Männer melden. Uns liegt nichts vor, das darauf hindeutet, dass sie wieder gefangen genommen wurden.«
»Was ist, wenn die Special Forces lediglich aufgehalten wurden?«, fragte Sandecker. »Im Moment sind die Nächte da oben kurz. Vielleicht mussten sie sich eine Zeit lang irgendwo verstecken, bevor sie sie zur Landebahn zurückkehren konnten.«
Der Colonel schüttelte den Kopf. »Wir haben vor ein paar Stunden ein Flugzeug im Schutz der Dunkelheit zu der Stelle zurückgeschickt, an der sie ausgeflogen werden sollten. Die Maschine ist kurz gelandet, aber niemand war da. Außerdem hat niemand auf unsere Funksprüche reagiert.«
»Sie können doch nicht einfach spurlos verschwunden sein«, knurrte der Präsident.
»Wir haben die Aufnahmen unserer Satellitenaufklärung, den Funkverkehr und die Aussagen von Kontaktpersonen am Boden ausgewertet. Ergebnislos«, stellte Julie Moss fest, die nationale Sicherheitsberaterin des Präsidenten. »Daraus lässt sich nur eine Schlussfolgerung ziehen: Sie wurden heimlich wieder gefangen genommen und an einen anderen Ort gebracht. Möglicherweise sind sie zurück auf der
Polar Dawn
oder wurden per Flugzeug weggeschafft.«
»Wie lautet die offizielle Antwort der Kanadier auf unser Ersuchen, Schiff und Besatzung freizugeben?«, fragte Sandecker.
»Wir haben keine Antwort erhalten«, entgegnete Moss. »Unsere Vorstöße auf diplomatischen Kanälen wurden schlichtweg ignoriert, und zugleich geben der Premierminister und das Parlament weiterhin abwegige
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