Polarsturm
Natürlich gibt’s dafür keinerlei Beweise …«, sagte er und ließ den Satz verklingen.
Summer dachte an die seltsame Wolke, die sie über dem Wasser gesehen hatten, und an die unheimliche Geschichte der Haisla vom Atem des Teufels. »Ich glaube es auch nicht«, sagte sie.
»Ich weiß nicht, was wirklich passiert ist. Vielleicht hilft uns das hier weiter«, sagte er und blickte auf die Probengläschen.
Dirk fuhr das Boot zwei Stunden lang mit Höchstgeschwindigkeit, bis sie in der Hecate-Straße waren. Mithilfe des Satellitennavigationssystems steuerte er genau zu der Stelle, an der sie die letzte Probe entnommen hatten, und stellte den Motor ab. Summer warf eine Niskinflasche über die Bordwand, holte ein Glas Meerwasser ein und gab die Probe in das Untersuchungsgerät.
»Der pH-Wert liegt bei etwa sechs Komma vier. Nicht annähernd so extrem wie vor zwei Tagen, aber immer noch weit unter normalen Meerwasserwerten.«
»Niedrig genug, um sich verheerend aufs Phytoplankton auszuwirken, was letztlich zum Zusammenbruch der Nahrungskette führen wird«, stellte Dirk fest.
Summer blickte auf Gil Island mit seiner heiteren Schönheit und betrachtete die umliegenden Buchten der Passage, dann schüttelte sie den Kopf. »Schwer zu erklären, was in einer so unberührten Gegend einen derart hohen Säuregehalt verursacht«, sagte sie.
»Vielleicht hat ein durchfahrender Frachter Bilgenwasser abgelassen oder Giftmüll entsorgt«, wandte Dirk ein.
Trevor schüttelte den Kopf. »Nicht sehr wahrscheinlich. Die Handelsschiffe verkehren im Allgemeinen auf der anderen Seite von Gil. Hier fahren normalerweise nur Fischerboote und Fähren durch. Und natürlich gelegentlich auch ein Kreuzfahrtschiff nach Alaska.«
»Dann müssen wir weitere Proben entnehmen, bis wir den Ausgangspunkt bestimmen können«, sagte Summer, die das erste Gläschen schon beschriftete und die Niskinflasche für den nächsten Einsatz vorbereitete.
In den nächsten Stunden steuerte Dirk das Boot in immer größeren Kreisen, während Summer und Trevor Dutzende von Wasserproben entnahmen. Zu ihrem Leidwesen wies keine von ihnen auch nur annähernd so niedrige pH-Werte auf, wie man sie im Labor in Seattle gemessen hatte. Als sie das Boot am späten Nachmittag eine Weile treiben ließen und etwas aßen, druckte Dirk eine Tabelle aus und zeigte sie den anderen.
»Wir haben von der Stelle aus, an der wir die erste Probe entnommen haben, immer weitere Kreise gezogen, bis zu einem Radius von acht Meilen. Wie ihr seht, haben wir am Anfang die niedrigsten Werte gemessen. Alles, was wir weiter südlich entnommen haben, weist normale pH-Werte auf. Aber nördlich vom Ausgangspunkt sieht es ganz anders aus. Wir stellen in einem Gebiet, das in etwa einem spitzwinkligen Dreieck gleicht, deutlich niedrigere pH-Werte fest.«
»Das deckt sich mit den vorherrschenden Strömungen«, bemerkte Trevor. »Es könnte sich um ein einmaliges Einleiten von Schadstoffen handeln.«
»Vielleicht ist es ein natürliches Phänomen«, meinte Summer. »Ein Mineral aus einem Unterwasservulkan, das einen hohen Säuregehalt verursacht.«
»Da wir jetzt wissen, wo wir suchen müssen, werden wir eine Erklärung finden«, sagte Dirk.
»Das begreife ich nicht«, sagte Trevor mit verständnisloser Miene.
»Die NUMA-Technologie wird es richten«, erwiderte Summer. »Wir haben ein Sidescan-Sonar und ein ROV an Bord. Wenn sich am Meeresgrund irgendetwas befindet, werden wir es auf die eine oder andere Art entdecken.«
»Aber das muss noch einen Tag warten«, sagte Dirk und wies darauf hin, wie spät es war. Er warf den Motor an, nahm mit dem Forschungsboot Kurs auf Kitimat und beschleunigte auf fünfundzwanzig Knoten. Sie näherten sich gerade der Stadt, als Dirk einen Flüssiggastanker bemerkte, der an einem überdachten Kai vor einer kleinen Bucht lag. Er stieß einen leisen Pfiff aus.
»Kaum zu glauben, dass sie mit diesen Dingern hier ein- und auslaufen«, sagte er.
»Der löscht vermutlich bei Mitchell Goyettes Kohlenstoff-Sequestrierungsanlage seine Ladung«, erwiderte Summer. Als sie und Trevor Dirk den Zweck der Anlage erklärten, nahm er das Gas zurück und steuerte auf den vertäuten Tanker zu.
»Was hast du vor?«, fragte Summer.
»Kohlenstoff-Sequestrierung. Kohlendioxid und Säuregehalt passen zusammen wie Erdnussbutter und Marmelade – das hast du selber gesagt«, erwiderte er. »Vielleicht hat es etwas mit dem Tanker zu tun.«
»Der Tanker bringt CO2, das er an der
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