Polarsturm
Bericht von der Forstverwaltung der pazifischen Wälder in British Columbia. Ich dachte, Sie sollten vielleicht mal einen kurzen Blick darauf werfen. Einer unserer Ökologen im Außendienst hat ungewöhnlich hohe Säurewerte in den Gewässern vor Kitimat gemeldet.«
»Kitimat, sagen Sie?«, fragte der Minister, der mit einem Mal hochfuhr.
»Ja. Sie haben doch gerade die Kohlendioxidentsorgungsanlage besucht, nicht wahr?«
Jameson nickte, nahm sich den Ordner vor und überflog den Bericht. Er wurde sichtlich gelöster, als er eine kleine Karte des Gebiets musterte. »Die Werte wurden rund sechzig Meilen von Kitimat entfernt gemessen, in der Inside-Passage. In der Gegend gibt es keinerlei Industrieanlagen. Vermutlich ist beim Entnehmen der Proben ein Fehler unterlaufen. Sie wissen doch, dass wir ständig fehlerhafte Berichte bekommen«, sagte er mit beschwichtigendem Blick. Ruhig schloss er den Ordner wieder und schob ihn desinteressiert beiseite.
»Sollten wir nicht die Dienststelle in B. C. anrufen und das Wasser noch mal untersuchen lassen?«
Jameson atmete bedächtig aus. »Ja, das könnte ratsam sein«, sagte er leise. »Rufen Sie doch am Montag dort an und verlangen Sie eine weitere Untersuchung. Es hat keinen Sinn, sich aufzuregen, solange diese Werte nicht bestätigt werden.«
Der Berater nickte, blieb aber wie angewurzelt vor dem Schreibtisch stehen. James bedachte ihn mit einem väterlichen Blick.
»Warum verschwinden Sie nicht, Steven? Gehen Sie und führen Sie Ihre Verlobte zum Essen aus. Ich habe gehört, dass es da so ein großartiges neues Bistro gibt, das erst vor kurzem am Flussufer eröffnet hat.«
»Dafür zahlen Sie mir nicht genug«, sagte der Berater grinsend. »Aber was den frühen Abgang angeht, da nehme ich Sie beim Wort. Ein schönes Wochenende, Sir. Wir sehen uns am Montag.«
Jameson blickte dem Berater hinterher, als er das Büro verließ, und wartete, bis dessen Schritte im Flur verklangen. Dann griff er zu dem Ordner und las den Bericht durch. Die Säurewerte schienen zwar in keinerlei Zusammenhang mit Goyettes Anlage zu stehen, doch hatte er das leise Gefühl, dass dem vielleicht dennoch nicht so war. Ich stecke schon zu tief drin, als dass ich mich jetzt mit Goyette anlegen könnte, dachte er, als sich sein Selbsterhaltungstrieb durchsetzte. Er griff zum Telefon, tippte aus dem Gedächtnis eine Nummer und mahlte ungeduldig mit den Zähnen, als es am anderen Ende drei Mal klingelte. Schließlich meldete sich eine freundliche, aber energische Frauenstimme.
»Terra Green Industries. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Minister Jameson«, erwiderte er brüsk. »Ich möchte Mitchell Goyette sprechen.«
18
Dirk und Summer schoben ihr Boot lautlos vom Anleger weg und ließen es in den Hafen treiben. Als die Strömung sie außer Sichtweite des Kais getragen hatte, warf Dirk den Motor an und steuerte langsam durch den Kanal. Der Himmel hatte teilweise aufgeklart, sodass zur Mitternachtsstunde wenigstens ein paar Sterne auf das Wasser schienen. Vom Tuckern des Motors einmal abgesehen, war der Lärm, der aus einer Hafenkneipe drang, das einzige Geräusch weit und breit, während sie sich allmählich von der Stadt entfernten.
Dirk hielt das Boot in der Mitte des Kanals und folgte dem Mastlicht eines Anglerbootes in der Ferne, dessen Insassen zeitig ausgelaufen waren und auf kapitale Silberlachse gehen wollten. Als die Lichter von Kitimat zurückgefallen waren, fuhren sie mehrere Meilen durch die Dunkelheit, bis sie eine breite Kanalbiegung umsteuern mussten. Vor ihnen, dort, wo sich die Lichter der Sequestrierungsanlage von Terra Green spiegelten, glitzerte das Wasser wie auf Hochglanz poliertes Chrom.
Als das Boot weitertuckerte, sah Dirk, dass die ganze Anlage von gleißenden Strahlern ausgeleuchtet wurde, sodass die Kiefern aberwitzige Schatten warfen. Nur der mächtige überdachte Kai, in dessen Schatten der Flüssiggastanker lag, blieb von den Lichtern verschont.
Summer griff zu einem Nachtglas und suchte den Küstenstreifen ab, als sie in sicherem Abstand vorbeifuhren.
»Im Westen nichts Neues«, sagte sie. »Ich konnte nur einen kurzen Blick unter das große Dach werfen, habe aber keinerlei Lebenszeichen am Kai oder am Schiff selbst gesehen.«
»Um diese Zeit können hier nicht mehr als zwei Gorillas sein, die wahrscheinlich in einer Bude hocken und auf die Videomonitore glotzen.«
»Wollen wir hoffen, dass sie sich stattdessen im Fernsehen Wrestling anschauen, damit wir
Weitere Kostenlose Bücher