Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
bringen; aber eine Garantie für Konstanz ist das nicht, weil es wohl schon einen Unterschied macht, ob noch aktive Motorsportler mitreden oder einstige Titelträger. Die Besetzung des Verkehrsgerichts zu kennen, ist in jedem Fall nicht von Nachteil. In Suzuka fungiert 2011 Alan Jones als Berater, Weltmeister des Jahres 1980. Der Australier sprang auf der Strecke mit den Rivalen auch nicht immer zimperlich um. Jones und seine Kollegen sehen sich die Szene zwischen Vettel und Button noch einmal an. Nach gut zehn Minuten entscheiden sie: keine Strafe. Nach dem Rennen geht es deshalb nur noch um die Deutung der Aktion, um die Spuren, die sie an Sebastian Vettels Image hinterlässt. Wenn er wie Michael Schumacher nach den Beinah-Unfällen mit seinem Bruder auftritt, muss auch Sebastian Vettel mit dem Vorwurf rechnen, ein Rüpel auf Rädern zu sein. Aber er tritt anders auf. Ganz anders. »Ich habe ihn wirklich nicht gesehen«, gibt er an, »ich dachte, er ist entweder rechts von mir oder weit links hinter mir. Als ich ihn dann gesehen habe, habe ich gemerkt, dass ich vielleicht ein bisschen zu weit nach rechts gefahren war.« Was ein Fahrer aus dem tiefen Cockpit heraus sieht und was nicht, ist schwer zu überprüfen. Selbst Button fällt es schwer, da noch einen Vorwurf aufrechtzuerhalten. »Ich war ein wenig überrascht. Er sagt, er hat mich nicht gesehen, bis ich neben die Strecke geriet. Und wenn das stimmt, dann ist das etwas, was beim Rennfahren nun mal vorkommt.«
Kurvendiskussionen
Es gehört zu den Spezifika des Sports, dass über Szenen, die bloß Bruchteile von Sekunden dauern, noch lange gesprochen wird. Manchmal sogar noch Jahre später. Beim Großen Preis von Monaco 2006 gab es so eine Szene. 30 Sekunden vor dem Ende der Qualifikation stand plötzlich Michael Schumachers Ferrari in der Kurve vor dem bekannten Café Rascasse quer, einer der langsamsten Ecken der Stadtrundfahrt. Weil der Motor abstarb, war die Straße blockiert. Schumachers Titelrivale Fernando Alonso, gerade mit Zwischenbestzeit auf einer schnellen Runde unterwegs, wurde ausgebremst. Startplatz eins ging an Michael Schumacher – zumindest vorläufig, denn schnell keimten Zweifel. Kaum einer mochte glauben, dass der Ausrutscher ein Versehen war, das sich zufällig just in einem Moment ereignete, der Schumacher sehr gelegen und seinem großen Gegenspieler sehr ungelegen kam. »Wenn ich schuld bin, dann nur in dem Sinne, dass ich die Kurve zu schnell angefahren bin«, beteuerte Schumacher. Siebeneinhalb Stunden dauerte der Prozess gegen ihn. Schumacher wurde auf den letzten Startplatz verbannt, was Keke Rosberg, dem Weltmeister des Jahres 1982, eine große Genugtuung war: »Er ist ein Drecksack, ein Drecksack!«, hatte er über Schumacher in viele Mikrofone gezürnt. Die Aussage sollte einige Jahre später noch einmal für Wirbel sorgen; 2010, als Schumacher nach drei Jahren Pause eine zweite Karriere bei Mercedes startete, als Teamkollege von Keke Rosbergs Sohn Nico. Dass ihm vor dem Café Rascasse lediglich ein Fehler unterlaufen war, mochten viele nicht glauben. Dem erfolgreichsten Piloten im Feld und einem der erfahrensten unterläuft ein Lapsus in einer der langsamsten Kurven überhaupt, bei nicht einmal Tempo 30? In gewisser Weise sind Formel-1-Fahrer Künstler. Sie beherrschen etwas, das allen, die es nicht können, wie Magie erscheinen muss: Sie können die Zeit dehnen. Abläufe, die sich blitzschnell ereignen, verlangsamen, bis sie genug Zeit haben, um reagieren zu können. Nigel Mansell, der Formel-1-Weltmeister von 1992, hat das einst eindrucksvoll demonstriert – nicht auf der Rennstrecke, sondern bei einem PR -Termin. In den achtziger Jahren, bei einem Grand Prix in den USA . Mansell wurde gebeten, zum Baseball-Schläger zu greifen und sich in dem für ihn fremden Sport zu versuchen. Eine Maschine schoss ihm den Ball entgegen, und natürlich hatten sich die Amerikaner vorher überlegt: Das gibt nette Bilder, wenn einer, der ein lärmendes Geschoss zügeln kann, mit einem kleinen weißen Lederball überfordert ist. Doch Mansell traf mit dem ersten Schlag. Auch mit dem zweiten erwischte er den kleinen, weißen Ball. Mit dem dritten und vierten ebenso. Er traf fast immer. Und anschließend erklärte er den verdutzten Zusehern, wer sein Auge daran gewöhnt habe, in einem Rennwagen mit 250 km/h durch die Häuserschluchten in Monte Carlo zu rasen, für den sei es kein Problem, einen Baseball zu fixieren, der mit 150 km/h auf einen
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