Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
der Boxengasse gilt während des Rennens ein Tempolimit von 100 km/h. Ein Druck auf einen Knopf am Lenkrad – und schon fährt das Auto nicht schneller. Auf Knopfdruck wird die Kraft am Ende der Boxengasse dann wieder entfesselt. Sebastian Vettels Nachteil an diesem Sonntag: Sein Weg zu der Linie, ab der wieder das freie Spiel der Kräfte erlaubt ist, ist zu kurz, um sein Auto auf 100 km/h zu beschleunigen. Das kostet ihn im Vergleich zu den Konkurrenten einige Zehntelsekunden. Notiert wird die gesamte Zeit, die einer zwischen Boxengassenein-und -ausfahrt verbringt. Bei Sebastian Vettels erstem Stopp sind das an diesem Nachmittag 22,374 Sekunden. Jenson Button, der eine Runde später seine Reifen wechselt, kommt mit 21,094 Sekunden aus – er macht also allein in der Boxengasse fast 1,3 Sekunden gut. Weil er zudem auf der Runde zur Box hin und auf der ersten nach dem Halt deutlich schneller ist, holt er richtig auf. Sebastian Vettels Vorsprung schmilzt von 4,7 auf 2,8 Sekunden. Das Reifenschonen und die Boxenstopps – das werden an diesem Nachmittag die Elemente sein, die über den Sieg entscheiden.
Lehrstücke
In der Saison 2010 war das im entscheidenden Rennen etwas anders gewesen. Damals war alles, wirklich alles für Sebastian Vettel gelaufen. In den Großen Preis von Abu Dhabi, dem letzten Rennen der Saison, war er ebenfalls von der Pole Position aus gestartet, allerdings keineswegs als WM -Favorit. Vier Fahrer hatten Chancen auf den Titel gehabt. Und Vettels waren nicht die besten gewesen. Ferrari-Fahrer Fernando Alonso führte die WM -Wertung vor dem finalen Auftritt mit 246 Punkten an, acht Zähler vor Red-Bull-Pilot Mark Webber. Der Sieg bringt 25 Punkte. Sebastian Vettel lag 15 Zähler hinter Alonso, McLaren-Mann Lewis Hamilton hatte mit 24 Punkten Rückstand lediglich noch Außenseiter-Chancen. Doch es geschah, was kaum einer für möglich gehalten hatte: Nach 55 Runden hatte es Vettel mit einem triumphalen Sieg ganz nach oben geschafft – weil Fernando Alonso nur Siebter und sein Teamkollege Mark Webber lediglich Achter geworden war. Verrückte Finals hat es in der Formel-1-Geschichte einige gegeben. 1956 in Monza, als Juan-Manuel Fangio triumphierte, obwohl sein Ferrari mit einer gebrochenen Lenkung liegen geblieben war. Sein Teamkollege Peter Collins, selbst mit Titelchancen unterwegs, hatte dem Routinier mitten in der Wettfahrt sein Gefährt überlassen, mit den Worten: »Ich bin jung und kann noch oft Weltmeister werden.« Er wurde es dann nie. 1959 schob Jack Brabham seinen Cooper in Sebring in den USA über die Ziellinie. 800 Meter vor der karierten Flagge war ihm das Benzin ausgegangen. 1976 duellierten sich in Fuji in Japan Niki Lauda und James Hunt. Lauda, der Titelverteidiger, hatte auf dem Nürburgring einen schrecklichen Feuerunfall überlebt. Das hemmte ihn. Im schauerlichen Regen stellte er seinen Ferrari einfach ab, verließ noch während des Rennens die Strecke und erklärte kategorisch: »Ich bin kein Selbstmörder.« 1986 platzte Nigel Mansell, dem WM -Führenden, auf den letzten Runden bei halsbrecherischem Tempo der rechte Hinterreifen; Alain Prost gewann daraufhin den Titel – obwohl seine Tankanzeige tiefrot leuchtete. 2007 in São Paulo ging es noch kurioser zu: Die McLaren-Fahrer Lewis Hamilton und Fernando Alonso hatten sich zuvor so erbittert beharkt, dass der Automobilweltverband Aufseher in die Garage schickte. Weil an Hamiltons Auto kurz die Kupplung streikte, weil Alonso nur Dritter wurde und weil der Brasilianer Felipe Massa, im zweiten Ferrari, einen Heimsieg herschenkte, triumphierte am Ende Kimi Räikkönen. Ein Jahr später ging es am selben Ort noch enger zu: Als Felipe Massa als Sieger ins Ziel fuhr, wurde er als Weltmeister gefeiert. Aber das blieb er nur einige Sekunden lang. Lewis Hamilton glückte auf der feuchten Piste doch noch das entscheidende Überholmanöver – in der letzten Kurve der letzten Runde schob er sich an Timo Glock im Toyota vorbei auf Platz fünf, der ihm den Titel bescherte. Große Gesten, Regen, Technik-Pech, spätes Glück – das Finale 2010 wird aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben: wegen eines haarsträubenden Strategie-Fehlers. Die Denker am Ferrari-Kommandostand übersahen, welche Gefahr von Sebastian Vettel ausging. Sie dachten: Alonsos Gegner heißt Webber. Der Australier musste seine Reifen nach einem Kontakt mit einer Leitplanke ungewöhnlich früh wechseln lassen. Daraufhin bestellte Ferrari auch Alonso zum
Weitere Kostenlose Bücher