Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
ergibt sich: In Runde 36 wäre es gut, wenn Button zum Wechsel auf die härteren Reifen kommt. Bei den weicheren Reifen kommt es darauf an, ob diese neu sind oder ob sie schon einige Runden hinter sich haben. Der Satz, mit dem Button am Start steht, war bereits am Samstag in der Qualifikation im Einsatz. In Runde zehn, so lautet die Hochrechnung, soll er sie wechseln lassen.
Sebastian Vettel ist mit einem ähnlichen Fahrplan losgezogen. Was die beiden zu Beginn des Japan-Grand-Prix zeigen, ist deshalb nicht einfach nur Tempobolzen. Es ist auch Fahren nach Zahlen. In einem Rennen geht es nicht immer darum, so schnell wie möglich zu sein. Es gibt Phasen, in denen es darum geht, das Tempo so exakt wie nötig zu dosieren. Jackie Stewart hat dazu einmal den schönen Satz geprägt: »Um einen Rennwagen zu steuern, muss man konservativ sein – kein Radikaler, der zu Spontanität und Begeisterung neigt.« Die Fahrer haben großen Einfluss darauf, wie schnell sich die Reifen abnutzen, sie können es mit ihrer Fahrweise beeinflussen. Wie sehr sie die Reifen durchdrehen lassen, wie stark sie in den Kurven rutschen, wie abrupt sie einlenken – all das hat einen Effekt. Jenson Button wird in Suzuka seinem Ruf als Reifenflüsterer gerecht. Ab der sechsten Runde kann Sebastian Vettel seine Rundenzeiten nicht weiter steigern. Seine Reifen verlieren an Haftung. Button ist gleich schnell, im Umlauf darauf verkürzt er den Rückstand von 5,2 auf 4,7 Sekunden. Ein Sprung, der ahnen lässt, dass gleich etwas passiert. In der neunten Runde meldet sich Sebastian Vettel am Funk bei seinem Renningenieur und teilt ihm mit, dass seine Hinterreifen keinen Grip mehr finden. Daraufhin wird die Mannschaft für den Boxenstopp in Bewegung gesetzt, fast 20 Mann.
Zwischenstopp
Boxenstopps in der Formel 1 laufen nach einer fein ausgeklügelten Choreographie ab. Pro Rad sind drei Mann im Einsatz. Einer löst die Radmutter mit einem Pressluft-Schlagschrauber, einer zieht den benutzten Reifen weg, einer setzt den neuen auf. Festschrauben. Vorne und hinten wird das Auto dafür ein paar Zentimeter aufgebockt. Die Wagenheber dafür sind meist Spezialanfertigungen und kosten so viel wie ein gebrauchter Mittelklassewagen. Rechts und links wirft je ein Mechaniker einen Blick in den Seitenkasten und fischt alles heraus, was sich dort gesammelt hat. Zwei weitere Helfer halten sich bereit, falls der Frontflügel verstellt werden muss. Einer hat zudem ein Auge darauf, was sonst noch in der Boxengasse los ist. Nähert sich ein anderes Auto, darf der Fahrer nicht starten. Das Signal dafür bekommt er bei den Top-Teams von einer Ampel, die so viel kostet wie ein neuer Mittelklassewagen und die in seinem Sichtfeld leuchtet. Die Lichter sind mit Sensoren in den Wagenhebern und den Schlagschraubern gekoppelt. Melden alle »fertig«, springt die Ampel um. Die Automatik hilft, wenn alles klappt, gegenüber der althergebrachten Methode, bei der ein Mechaniker ein Stopp-oder Go-Schild wie einen Riesen-Lolli schwenkt, einige Zehntelsekunden zu sparen. Die Stopps sind ein gutes Beispiel dafür, wie groß die Auswirkungen jeder noch so kleinen Regeländerung sein können. Als um das Jahr 2003 herum begonnen wurde, die Tage zu beschränken, an denen die Teams zwischen den Rennen neue Teile ausprobieren durften, klagten schnell viele Fahrer über Rückenschmerzen. Der Grund dafür? Um die wenigen Testtage möglichst effektiv zu nutzen, ließen die Rennställe die Piloten von früh bis spät Übungsrunden drehen. Das führte zur Überanstrengung. Als in der Saison 2010 das Nachtanken verboten wird, treibt es plötzlich auffällige viele Boxenhelfer ins Fitness-Studio: Es gilt fit zu werden für die neue Herausforderung beim Boxenstopp.
So lange bei jedem Stopp auch getankt werden durfte, konnten sich die Männer an den Reifen Zeit lassen – der Tankvorgang bestimmte, wie lange ein Fahrer halten musste. Ohne den Benzinschlauch kommt es darauf an, mit den Schlagschraubern möglichst schnell zu sein. Die Choreographie wird deshalb ständig geübt, im Winter in der Fabrik. Und an jedem Grand-Prix-Wochenende. Auch in diesem Detail herrscht Wettbewerb. Drei Sekunden Standzeit gelten für den Reifenwechsel als Richtwert. In Suzuka hat das Red-Bull-Team allerdings einen Nachteil. Es ist in der letzten Garage in der Boxengasse untergebracht. Die liegt nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der die Piloten auf die Rennstrecke zurückbiegen und wieder Vollgas geben dürfen. In
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