Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
zufliegt. Und dabei noch die roten Nähte zu erkennen, welche die beiden weißen Lederhälften zusammenhalten. Mansell war auch ein passabler Tontaubenschütze. Jackie Stewart war ein so guter Tontaubenschütze, dass er in die schottische und die britische Nationalauswahl berufen wurde und es zum Junioren-Weltmeister brachte, obwohl er erst mit vierzehn begonnen hatte. Die Reflexe sind so gut geschult, dass sie bewusst eingesetzt werden können. Die Fähigkeit, die Realität wie einen Film wahrzunehmen, der auf Zeitlupe geschaltet werden kann, ist auch für die Nachbetrachtung wichtig. Was macht das Auto in einer Kurve, die in einer Sekunde genommen wird? Wie verhält sich die Aerodynamik? Wie die Mechanik? Wie reagieren die Reifen? Um derlei Details klären zu können, unterteilt Sebastian Vettel jede Biegung in drei Teile: Eingang, Mitte, Ausgang. Andere Fahrer wählen noch mehr Schritte.
Fahren nach Zahlen
In den ersten Kurven von Suzuka gibt es für Sebastian Vettel wenige Details, die er sich merken müsste. Ungefährdet strebt er an der Spitze davon. Nach der ersten Runde ist er Lewis Hamilton um 1,2 Sekunden voraus, nach der zweiten sind es 1,5, nach der dritten 1,7, nach der vierten 1,9, nach der fünften 2,3. Sechs Runden nacheinander fährt Sebastian Vettel jeweils die schnellste Zeit. Wer in der Formel 1 voraus sein will, muss unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen: In der Qualifikation ist eine Ausnahmeleistung auf den Punkt gefragt, im Rennen dagegen Konstanz auf hohem Niveau. Sebastian Vettel ist nicht der Einzige, der das kann. Die Zeitenmonitore verraten, dass ihm zwei ebenfalls talentierte Jäger im Nacken sitzen. Zwei Faktoren bestimmen zu dieser Zeit des Rennens die Rundenzeiten maßgeblich: Mit jedem Umlauf sinkt die Benzinlast im Auto. Es wird deshalb schneller. Dem entgegen wirken die Reifen. Je länger sie bewegt werden, desto mehr verlieren sie an Haftung. Und es gibt einen Punkt, ab dem sie das dramatisch tun. Dann stürzen die Rundenzeiten ab, wie ein Stein, der von einer Klippe plumpst. Für Jenson Button notiert die Stoppuhr: 1. Runde – 1:42,700. 2. Runde – 1:41,270. 3. Runde – 1:40,575. 4. Runde – 1:40,370. 5. Runde – 1:40,264. Er wird also konstant schneller. Bei Lewis Hamilton sieht es genauso aus: 1:41,597, 1:40,289, 1:40,096, 1:40,086. In der fünften Runde jedoch deutet sich eine Trendwende an: 1:40,175. In den Runden sechs und sieben wird offensichtlich, dass er ein Problem hat: 1:40,899, 1:41,955. Hamiltons rechter Hinterreifen verliert langsam Luft. Er muss zum Reifenwechsel an die Box, was ihn entscheidend zurückwirft. Am Ende wird er das Rennen als Fünfter beenden. Damit spitzt sich der Kampf an der Spitze wieder auf das Duell zu, das bereits dieses ganze Wochenende im Mittelpunkt steht: Sebastian Vettel gegen Jenson Button. Ihr Gegeneinander kommt nicht unerwartet. Bei Red Bull und McLaren haben die Ingenieure die Möglichkeiten, wie sich das Wochenende entwickeln könnte, lange vor der Abreise nach Japan durchgespielt. Alle großen Teams halten das so. Strategie-Planungen gehören zum festen Repertoire der Vorbereitung, seit es Computer gibt, wobei inzwischen nicht nur der Frage nachgespürt wird: Was können unsere Autos? Sondern auch der Wahrscheinlichkeit, welche anderen Wagen ihnen in die Quere kommen können. Bei zwölf Teams und doppelt so vielen Autos ergeben sich eine Menge Möglichkeiten. Mercedes hat einmal nachgezählt, wie viele unterschiedliche Rennverläufe das Team vor dem ersten Indien-Grand-Prix 2011 durchgespielt hat. Heraus kam: rund eine Million. In den Trainingsläufen wird dann noch einmal abgeglichen: Welche Simulation kommt der Realität am nächsten? Vor allem ein Faktor ist dabei wichtig: die Reifen. Welche Rundenzeiten sind mit welcher Mischung möglich? Wie hoch ist der Unterschied? Und: Wie lange hält welche Mischung? Wann stürzen die Rundenzeiten ab? Wann plumpst der Stein von der Klippe? Aus den Parametern lässt sich berechnen, welche Strategie die beste ist. Wie viele Stopps ein Fahrer einlegen sollte, wann an seinem Auto am besten welche Reifenmischung aufgezogen wird. McLaren hat errechnet: Am besten ist es für Button, wenn er die Reifen dreimal wechselt. Die härtere der beiden Gummimischungen ist die langsamere. Deshalb soll er sie nur einmal benutzen, zum Ende des Rennens. Auf der Mischung sind, das haben die Testläufe gezeigt, wohl 17 ordentliche Runden möglich, insgesamt sind in Suzuka 53 zu bewältigen. Daraus
Weitere Kostenlose Bücher