Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
bekommt er Anweisungen. Der Erste auf der Runde zu sein, hilft: Wer vorausfährt, muss sich nach niemandem richten. Vor der letzten Kurve aber ist an dieser Position besondere Sorgfalt gefragt. Die Lichter an der Startampel werden erst angeschaltet, fünf Sekunden nachdem der Letzte in der Reihe seinen Platz bezogen hat. Wer auf der Pole Position steht, wartet am längsten und muss aufpassen, dass all die mühsam aufgewärmten Teile nicht wieder abkühlen. Bevor er vor die Haupttribüne rollt, wartet Sebastian Vettel deshalb auch an diesem Tag, lässt das Feld aufschließen. Erst dann rollt er auf den Startplatz Nummer eins, von dessen Markierungen er, weil er so tief im Auto versenkt sitzt, lediglich die zwei gelben Querstriche sehen kann, die anzeigen, wo die Vorderräder zu stehen haben. Nun richtet er seinen Blick auf die Ampelanlage, die über der Strecke hängt.
Nacheinander, von links nach rechts, gehen im Sekundentakt die roten Lichter an den fünf Ampeln an. Leuchten sie alle, muss die Drehzahl des Motors in dem Bereich sein, der als optimal fürs Losfahren ermittelt wurde. Ist sie früher so hoch, strengt das den Motor unnötig an. Wenn die Lichter an der Ampel ausgehen, ist das Rennen freigegeben. Der linke Fuß hüpft vom Bremspedal, der rechte bleibt weiter auf dem Gas, die Kupplung wird mit den Hebeln am Lenkrad bedient. Ist die Elektronik richtig dressiert, passt der Schleifpunkt, ist das schon einmal viel wert. Den Rest muss der Fahrer mit seinem Gefühl regeln. Wenn die Hinterreifen ganz leicht durchdrehen, ist das optimal.
Ein schmutziger Start
Sebastian Vettels Start in das Rennen, aus dem er nur noch einen Punkt braucht, um sich seinen zweiten Titel zu sichern, und das Jenson Button unbedingt gewinnen muss, um seine Titelchancen zu wahren, verläuft nicht optimal. Button kommt besser weg. Die vier Meter Rückstand auf Vettel verkürzt er schnell, was dem WM -Führenden nicht gefallen kann. Der erste Startplatz ist in Suzuka in Fahrtrichtung links, die erste Kurve geht nach rechts. Wenige Meter nach der Startampel zieht Sebastian Vettel stark nach rechts, dorthin, wo Button vorbeizustürmen droht. Zentimeter um Zentimeter, unerbittlich. Als Button sein linkes Vorderrad schon knapp an Sebastian Vettels rechtem Hinterrad vorbeigeschoben hat, bleibt ihm keine Wahl mehr: Er muss nachgeben, seine rechten Räder rauschen in den Dreck und durch das Gras neben der Strecke. Er muss vom Gas gehen, fällt zurück, sogar noch hinter seinen Teamkollegen Lewis Hamilton, der als Zweiter Sebastian Vettel nachsetzt.
Das Manöver ist hart. Es ist entschlossen. Es erinnert an eine Fahrweise, die Michael Schumacher oft zeigte – und die ihm immer als rücksichtslos ausgelegt wurde. Einmal, beim Großen Preis von Europa im Jahr 2001 auf dem Nürburgring, fuhr er als Erster los, sein Bruder Ralf als Zweiter. Um den Platz an der Spitze zu verteidigen, drängte der sieben Jahre Ältere den Jüngeren bis auf wenige Zentimeter an die Boxenmauer. Die Szene sicherte Michael Schumacher den Sieg, nach dem er ungerührt erklärte: »Ich musste das komplette Register ziehen, aber ich würde das gegen jeden anderen auch machen. Es war notwendig. Ich fahre für Ferrari, er für BMW .« Ralf Schumacher erklärte zu der Szene lieber nichts. Vier Jahre später aber, als der große Bruder beim Stadtrennen in Monaco bei einem Tempo jenseits von 200 in der letzten Kurve noch ein Überholmanöver startete, mit dem er ihm den sechsten Platz abjagen wollte und das mit einer Berührung auf der Ziellinie endete, platzte ihm der Kragen: »Ein Millimeter mehr, und einer von uns hätte tot sein können. Für mich hat er sie nicht mehr alle. Aber darüber müssen wir nicht reden. Er sieht es eh nicht ein.« Button unterstellt Sebastian Vettel in Suzuka Ähnliches. »Dafür muss er eine Strafe bekommen!«, fordert er am Funk. Der Verdacht, Vettel habe vorsätzlich so riskant gelenkt, liegt nahe: Wären beide ausgeschieden, wäre ihm der Titel sicher gewesen. Und die Geschichte hätte sich wiederholt, wie 1990, als Senna und Prost in derselben Kurve aneinandergerieten. Die Rennkommissare aber sehen das anders.
Bei jedem Grand Prix gibt es drei solche Schiedsrichter. Sie können das Videomaterial sichten, den Funkverkehr der Teams mithören. Mitunter befragen sie auch nach den Rennen die Beteiligten; meist jedoch entscheiden sie ad hoc. Seit dem Jahr 2010 ist auch immer ein Rennfahrer unter den Dreien, er soll Praxis-Erfahrung in das Gremium
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