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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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gekämmtem Zustand. Aber solange es ihr Freude bereitete, war ich willens, mir ihre Aufmerksamkeit gefallen zu lassen. Ja, ich gebe zu, daß ich das, was so etwas wie ein nächtliches Ritual zwischen uns wurde, ziemlich genoß. Wenn sie sich mit meinem Haar beschäftigte, gehörte ihre Aufmerksamkeit mir. Wenigstens grübelte sie dann nicht über unseren Vater.
    Auf eine gewisse Weise mag meine Abneigung mein ganzes Leben bestimmt haben. Jedesmal, wenn Beldarans Blick sich vernebelte und abwesend wurde, wußte ich, daß sie über unseren Vater grübelte, und ich konnte die Trennung, die dieser leere Blick implizierte, nicht ertragen. Das war wahrscheinlich der Grund, warum ich mich, sobald meine Beine mich trugen, auf Wanderschaft begab. Ich mußte einfach weg von dieser schwermütigen Leere in den Augen meiner Schwester.
    Onkel Beldin trieb ich damit fast an den Rand des Wahnsinns, fürchte ich. Er konnte keine Schließvorrichtung an der Tür ersinnen, die den oberen Treppenabsatz im Turm verschloß, die ich nicht öffnen konnte. Onkel Beldins Finger waren schon immer dick und plump gewesen, und seine Schnappschlösser fielen dementsprechend klobig und grob aus. Meine Finger dagegen waren klein und sehr geschickt. Ich konnte seine Vorrichtungen in Minutenschnelle beseitigen, wenn mich die Wanderlust überkam. Ich hatte – na ja, ich nehme an, ich habe es immer noch – ein unabhängiges Wesen, und niemand sagt mir, was ich tun soll.
    Hast du das schon bemerkt, Vater? Mir ist, als hätte ich bemerkt, daß du es bemerkt hast.
    Die ersten Male, wenn mir die Flucht gelungen war, suchte Onkel Beldin verzweifelt nach mir und schalt mich ziemlich ausgiebig, wenn er mich schließlich fand. Ich schäme mich ein bißchen, es einzugestehen, aber nach einer Weile wurde es zu einer Art von Spiel für mich. Ich wartete, bis er gänzlich in irgend etwas versunken war, entriegelte in aller Schnelle seine Tür und hüpfte dann die Treppe hinunter. Dann suchte ich mir ein Versteck, aus dem heraus ich seine verzweifelte Suche gut verfolgen konnte. Nach einer gewissen Zeit begann auch er, wie ich glaube, unsere kleine Freizeitbeschäftigung zu genießen, denn seine Standpauken wurden zunehmend gemäßigter. Ich vermute, daß er nach den ersten paar Malen zu der Einsicht gelangte, nichts und niemand könne mich von meinen Ausflügen in die Außenwelt abhalten und ich würde mich außerdem nicht weit vom Fuß des Turms entfernen.
    Meine Abenteuerausflüge dienten einer ganzen Reihe von Zwecken. Zuerst war es nur eine Flucht vor dem rührseligen Grübeln meiner Schwester über Vater. Dann wurde es zu einem Spiel, bei dem ich den armen Onkel Beldin quälte, indem ich mir immer neue Verstecke ausdachte. Schließlich war es eine Methode, wenn auch keine sehr nette, irgend jemand dazu zu bringen, mir Aufmerksamkeit zu schenken.
    Je länger wir unser Spiel spielten, desto lieber gewann ich den häßlichen, verwachsenen Zwerg, der zu meinem Ersatzvater geworden war. Jede Form von Gefühlsäußerung macht Onkel Beldin verlegen, aber ich glaube, ich sage es trotzdem: »Ich liebe dich, du schmutziger, räudiger kleiner Mann, und keine noch so üble Laune oder Gossensprache wird daran jemals etwas ändern.«
    Solltest du das hier jemals lesen, Onkel, wirst du bestimmt beleidigt sein. Zu schade aber auch!
    Es fiele mir leicht, jede Menge ausgefallener Entschuldigungen für die Dinge anzuführen, die ich in meiner Kindheit getan habe, aber um es ohne Umschweife zu sagen, ich war vollkommen davon überzeugt, häßlich zu sein. Beldaran und ich waren Zwillinge, und wir hätten völlig gleich sein sollen. Der Meister hatte das aber geändert. Beldaran war blond, und mein Haar war dunkel. Unsere Züge ähnelten einander, aber wir waren keine Spiegelbilder der jeweils anderen. Es gab mannigfache feine Unterschiede – von denen viele, davon bin ich überzeugt, nur in meiner Phantasie existierten. Zudem hatten meine Ausflüge aus Beldins Turm meine Haut der Sonne ausgesetzt. Beldaran und ich hatten beide sehr helle Haut, so daß ich nicht sogleich jenen gesunden, gebräunten Teint entwickelte, der in manchen Gegenden so geschätzt wird. Vielmehr bekam ich einen Sonnenbrand, und dann pellte ich mich. Häufig glich ich einer Schlange oder Eidechse im Stadium der Häutung. Beldaran blieb drinnen, und ihre Haut war wie Alabaster. Der Vergleich war nicht besonders schmeichelnd für mich.
    Dann gab es da noch diese verfluchte silberweiße Locke in meinem Haar,

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