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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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die Vaters erste Berührung mir hatte zuteil werden lassen. Wie ich diese lepröse Haarlocke an meiner linken Schläfe haßte! Einmal versuchte ich sogar, sie mir in einem Anfall von Ärger mit einem Messer abzuschneiden. Es handelte sich um ein sehr scharfes Messer, aber so scharf war es nicht. Die Locke widerstand all meinem Schneiden und Säbeln. Aber ich schaffte es, daß Messer stumpf zu machen. Nein, das Messer war nicht schadhaft. Es hinterließ eine nette Schnittwunde an meinem linken Daumen, als meine Anstrengungen verzweifelter wurden.
    Also gab ich es auf. Da ich nun einmal zum Häßlichsein verurteilt war, sah ich auch keinen Sinn darin, auf mein Äußeres zu achten. Baden war Zeitverschwendung, und Kämmen hob nur den Kontrast zwischen der Locke und meinem restlichen Haar hervor. Ich fiel oft hin, weil ich in diesem Alter sehr linkisch war, und meine knochigen Knie und Ellbogen waren für gewöhnlich aufgeschürft. Meine Angewohnheit, am Schorf zu knibbeln, hinterließ lange Streifen getrockneten Bluts auf meinen Waden und Unterarmen, und damit nicht genug, kaute ich auch noch unablässig an meinen Fingernägeln.
    Um es einfach auszudrücken, ich sah gräßlich aus – und es war mir egal.
Meinem Groll machte ich auf unterschiedliche Weise Luft. Es gab jene unangenehmen Zeitspannen, wenn ich mich zu antworten weigerte, wenn Beldaran etwas zu mir sagte, und jene kindische Handlungsweise, zu warten, bis sie nachts eingeschlafen war, und mich dann genüßlich in unserem Bett herumzuwälzen und ihr die Bettdecke wegzuziehen. Letzteres war immer für einen mindestens halbstündigen Kampf gut. Ich gab es jedoch auf, nachdem Onkel Beldin gedroht hatte, Beltira und Belkira würden uns ein zweites Bett bauen, damit wir getrennt schlafen könnten. Ich grollte zwar, weil meine Schwester sich in Gedanken mit meinem Vater beschäftigte, aber so sehr denn doch nicht.
    Mit dem Älterwerden erweiterte sich auch das Areal meiner Erkundungszüge. Ich schätze, Onkel Beldin war es müde geworden, mich zu suchen, nachdem ich aus seinem Turm entwischt war – entweder das, oder der Meister hatte ihn angewiesen, mich streunen zu lassen. Das Wachstum meiner Unabhängigkeit war offenbar wichtig. Ich glaube, ich muß an die sechs gewesen sein, als ich schließlich den Baum entdeckte, der in der Mitte des Tals steht. Meine Familie hatte eine besondere Beziehung zu diesem Baum. Als mein Vater das Tal zum erstenmal betrat war es der Baum, der ihn in einen Zustand der Stasis versetzte, bis das schlechte Wetter ihn zwang, fortzugehen. Ce'Nedra, die schließlich eine Dryade ist, war ganz hingerissen von ihm und verbrachte Stunden damit sich mit ihm zu unterhalten. Garion hat nie etwas über seine Reaktion auf den Baum verlauten lassen, aber Garion hatte andere Dinge im Kopf, als er ihn das erste Mal sah. Als Eriond noch ziemlich jung war, unternahmen er und Pferd eine Reise, nur um ihn zu besuchen.
    Als ich ihn das erste Mal sah, versetzte er mich in ehrfürchtiges Staunen. Ich vermochte nicht zu glauben, daß irgend etwas Lebendiges so gewaltig groß sein könnte. Ich erinnere mich sehr gut an den Tag. Es war im Vorfrühling und ein böiger Wind beugte auf den Hügelkuppen im Tal das Gras in langgestreckten Wellen und jagte schmutziggraue Wolken über den Himmel. Ich fühlte mich ausgezeichnet und merkwürdig frei. Ich hatte mich schon ziemlich weit von Onkel Beldins Turm entfernt, als ich eine langgezogene, grasbewachsene Anhöhe erklomm und den Baum in seiner einsamen, ungeheuren Größe im angrenzenden Tal aufragen sah. Ich will hier keine unbeweisbaren Anschuldigungen erheben, aber der Zufall wollte es, daß just in diesem Moment ein einzelner Sonnenstrahl durch eine kleine Wolkenlücke drang und wie eine goldene Säule auf den Baum fiel.
    Das fesselte meine Aufmerksamkeit auf der Stelle. Der Stamm des Baums war viel größer als Onkel Beldins Turm, seine Zweige reichten Hunderte von Fuß in die Luft, und seine Seitenäste hätten ganze Äcker in Schatten getaucht. Lange starrte ich ihn nur staunend an, und dann hörte – oder fühlte – ich ihn ganz deutlich nach mir rufen.
Ein wenig zögernd kletterte ich daraufhin den Hang hinunter. Ich mißtraute den seltsamen Rufen. Die Büsche sprachen nicht mit mir und das Gras für gewöhnlich auch nicht. Mein noch unfertiger Geist witterte sofort irgend etwas Außergewöhnliches.
Als ich schließlich den Schatten dieser immensen Zweige betrat, legte sich eine Art warmer, glühender

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