Polgara die Zauberin
in der Wiege liegt. Zudem denken und handeln die Alorner aufgrund von Bluts und religiösen Banden wie ein Mann. Auch wenn Tolnedra es gern anders hätte, Alorien existiert noch, und es erstreckt sich von Gar og Nadrak bis zur Insel der Winde. Ein Angriff auf Alorien, so dünket mich, käme einem Selbstmord gleich.« Damit war ich vermutlich ein bißchen weit gegangen. Arender haben schließlich auch ihren Stolz. »Verzeiht, Mandorin«, setzte ich hinzu. »Mich erschreckte nur die Unbesonnenheit des Vorschlags.« Ich schätzte die Lage ein. »Ich bitt Euch, Mylord«, sagte ich, »zog Seine Gnaden diese Vorgehensweise tatsächlich nur aufgrund der unbestätigten Äußerungen dieses Kadon in Betracht?«
»Nein, Mylady. Schlichte Beobachtung verlieh Kadons Vorschlag Gewicht. Ich versichere Euch, daß just in diesem Augenblick tolnedrische Legionen auf dem Südufer des Arendflusses zusammengezogen werden, zweifellos als Vorbereitung auf den langen Marsch zu jener Stelle, wo die Gebiete der drei Herzogtümer zusammentreffen. Mehr noch, ein tolnedrischer General ist nach Vo Mimbre gekommen, um sich mit den Befehlshabern unserer Streitkräfte abzustimmen.«
Das bereitete mir wirklich Sorgen. Falls Ctuchik auch Tolnedra untergrub, stand ich vor einem richtigen Problem. »Wir können das Thema vertiefen, während wir nach Vo Mimbre reiten, Mylord«, erklärte ich Mandorin. »Es scheint, als seien die Vorgänge in der goldenen Stadt weitaus vielschichtiger als das, was mir im Norden begegnete.« Wieder unterbrach ich mich. »Ich hielte es nicht für klug, bei unserem Eintreffen in Vo Mimbre meinen Namen durch die Gänge des herzoglichen Palastes zu posaunen. Ihr solltet mich adoptieren, Mandorin.«
Er blickte verständnislos drein.
»Ihr seid ein mimbratischer Arender, Mylord«, rief ich ihm ins Gedächtnis. »Obgleich es durchaus im Bereich der Möglichkeit läge, daß Ihr eigenhändig eine Festung angriffet, überstiege eine Lüge doch Eure Fähigkeiten. Lasset uns daher einen Priester des Chaldan aufsuchen, der die erforderlichen Zeremonien abhält. Ich werde Eure Nichte werden, Gräfin Polina, die letzte Blüte eines unbedeutenden Nebenzweiges Eurer edlen Familie. Solcherart vermag ich, gänzlich unbemerkt, die Wahrheit in dieser Angelegenheit zu erkunden.«
Sein Gesichtsausdruck wirkte leicht gequält. »Dies wäre eine fadenscheinige Begründung für eine absichtliche Unwahrheit, Mylady«, wandte er ein.
»Uns eint ein gemeinsames Ziel, Mylord, und Eure enge Bekanntschaft mit meinem altehrwürdigen Vater macht uns ohnehin fast zu Bruder und Schwester. Lasset uns unsere edle Seelenverwandtschaft denn mit Brief und Siegel bekräftigen, auf daß wir in freudiger Eintracht unserem Ziel entgegenschreiten können.«
»Haben Eure Studien Euch zufällig in die trüben Gefilde von Gesetzeskunde und Jurisprudenz geführt, Lady Polgara?« fragte er mich mit dem Anflug eines Lächelns, »denn Eure Redeweise besitzet fürwahr einen gewissen rechtsgelehrten Beigeschmack.«
»Aber Onkel Mandorin«, verwahrte ich mich, »welch unschickliche Vermutung.«
Die Zeremonie war natürlich eine Farce, aber sie genügte, Mandorins Bedürfnis den Anschein von Wahrheit zu wahren, wenn er in naher Zukunft gezwungen wäre, unsere Verwandtschaft öffentlich bekannt zu machen. Sobald wir uns umgezogen hatten, begaben wir uns hinunter in die reich verzierte Kapelle auf der Burg des Barons. Mandorin trug schwarzen Samt, und ich zauberte mir auf eine schelmische Eingebung hin ein weißes Seidengewand herbei. Zumindest oberflächlich betrachtet kam diese ›Adoption‹ einer Hochzeit schon sehr nah.
Ich habe die arendische Religion nie verstanden, und glaubt mir, ich lebte lange in Arendien. Chaldan, der Stiergott der Arender, scheint auf ein obskures Ehrkonzept versessen zu sein, das von seinen Anhängern verlangt, sich auf den kleinsten Vorwand hin gegenseitig abzuschlachten. Die einzige Liebe, die ein Arender offenbar je an den Tag legen kann, gilt seinem eigenen Ehrgefühl, das er sich an den Busen drückt wie einen geliebten Welpen. Der Chaldanpriester, der meiner Verwandtschaft mit Baron Mandorin einen förmlichen Anstrich verlieh, war ein strenggesichtiger Mann in einer reichgeschmückten roten Robe. Irgendwie erweckte sie den Anschein einer Rüstung, aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet. Er hielt eine kriegslüsterne kleine Predigt, in deren Verlauf er Mandorin dazu verpflichtete, jeden aufzuschlitzen, der sich mir gegenüber in
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