Polgara die Zauberin
gewissen Trost aus der Tatsache, daß junge Männer nicht viel besser sind. Vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet wäre anzumerken, daß dieser Zustand chemische Ursachen hat. Dergleichen an dieser Stelle ausführlicher zu erörtern, wäre gewiß wenig zweckdienlich.
Die in mein Haar geflochtenen weißen Seidenbänder brachten mir viele Komplimente – und später nicht wenige Nachahmerinnen – ein. Die Frisur ließ mich überdies jünger erscheinen, so daß die schnatternde Schar kichernder Mädchen annahm, ich teilte ihre Lebensansichten und sie hätten mich großmütig vor so ermüdenden Themen wie dem Ausbruch eines Weltkrieges oder der Ausrottung jedes Lebewesens westlich der östlichen Steilhänge ›gerettet‹. Auf diese Weise kam ich in den Genuß eines faszinierenden Nachmittags intensiver Mutmaßungen über den Einfluß von Kleidersäumen und Haarmoden auf die Weltlage.
Obwohl Baron Mandorin – darf ich ihn Onkel Mandy nennen? – nunmehr in Erfahrung gebracht hatte, was wirklich vor sich ging, und mir so Einzelheiten der Besprechungen wiedergeben konnte, von denen mein Geschlecht und mein Alter mich offenbar ausschlossen, würden doch Dinge passieren, die er nicht wahrnehmen würde. Ich mußte bei diesen Besprechungen selbst anwesend sein, und nun, da ich hinreichend über die derzeit herrschenden Modeströmungen aufgeklärt war, spürte ich, daß es Zeit war, die Dinge voranzutreiben. ›Rein zufällig‹ überfiel mich am nächsten Morgen ein übler Kopfschmerz, und ich scheuchte meine Spielgefährtinnen aus meinen Gemächern. Dann trat ich ans Fenster und ›machte den Spatz‹, wie meines Vaters ziemlich lakonische Bezeichnung des Vorgangs lautet.
Noch war Sommer, und die Fenster von Corrolins Palast standen offen, das verschaffte mir Gelegenheit, ungesehen die Beratungen des Kronrats zu belauschen. Ich ließ mich auf dem Fensterbrett nieder, tschirpte ein paarmal, damit auch jeder wußte, daß ich ein Spatz und nichts als ein Spatz war, und legte den Kopf schief, um zuzuhören.
Herzog Corrolin sprach zu einem schielenden, dunkelhäutigen Burschen in einem blaßblauen tolnedrischen Mantel. »Ich muß Euch mitteilen, werter Kador, daß uns kürzlich Nachrichten aus den nördlichen Herzogtümern erreicht haben, welche uns Kenntnis davon geben, Herzog Oldoran liege schwer an einem rätselhaften Übel darnieder. Die Herrschaft über Asturien ist in die Hände eines betagten Grafen namens Mangaran übergegangen.«
»Ja«, erwiderte Kador, »das haben auch meine eigenen Quellen bestätigt, Euer Gnaden. Die Initiative im Norden jedoch liegt in den Händen von Herzog Kathandrion, und mir ist nichts zu Ohren gekommen, was daraufhindeuten würde, daß er seine Meinung über eine Eroberung Asturiens geändert hätte. Es ist eigentlich ohne Belang, wer in Vo Astur die Macht hat, da unser Plan fast vollständig von den Vorgängen in Vo Wacune abhängt.«
Der Gedanke, den ich ausschickte, war so leicht, daß er kaum zu bemerken war, und die Farbe, die ich zurückerhielt, war ein stumpfes Schwarz. Kador war nicht der Grolim. Das verblüffte mich außerordentlich, und es beunruhigte mich sogar noch mehr. Wenn ich die Gedanken eines jeden in diesem Raum überprüfen würde, würde der Grolim, wer immer es auch war, letztendlich spüren, daß irgend jemand nach ihm suchte.
Dann trat ein durchschnittlich aussehender Tolnedrer – seiner Kleidung nach zu urteilen ein Diener – vor und flüsterte Kador etwas ins Ohr. »Aha«, sagte Kador. »Danke.« Dann wandte er sich wieder dem Herzog zu – aber nicht, ohne daß ein hartes, glänzendes Schwarz ganz flüchtig mein Bewußtsein berührte. Ich hatte meinen Grolim gefunden, konnte mir jedoch nicht erklären, warum er es vorzog, im Hintergrund zu bleiben. Nach dem, was Vater und meine Onkel mir über die Angarakaner erzählt hatten, war es höchst ungrolimhaft für einen Priester des Drachengotts, eine Tarnung als Bediensteter anzunehmen.
»Mylord«, sagte Kador gerade zu Corrolin, »alles verläuft nach Plan. Die restlichen Legionen werden an Ort und Stelle sein, bevor die Woche zu Ende geht. Wenn ich so kühn sein darf, eine Empfehlung auszusprechen: Wäre dies nicht der geeignete Zeitpunkt für Eure Ritter, ihre Reise zur ulgonischen Grenze anzutreten? Der befehlshabende General der Legionen wird seine Truppen nach Norden schicken, sobald seine Streitkräfte vollständig zusammengezogen sind. Eure Berittenen werden natürlich schneller vorrücken, aber sie haben
Weitere Kostenlose Bücher